So begann ich sehr früh, die Kommunikation in der Familie auf das Nötigste zu beschränken und mich zu einem Eigenleben abzusondern, das von exzessivem Lesen bestimmt war. Ich vergrub mich, häufig nachts und mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke, in die Lektüre nicht nur von Werken der Weltliteratur, sondern auch von Karl May, von dem ich in meiner Lese-Sucht über fünfzig Bände verschlungen habe, von "Zukunfts-Romanen" – heute Science Fiction genannt – von Heinz Dominik, und von Edgar-Wallace-Krimis. Mein geschichtliches Interesse war schon früh durch die Lektüre von in einer Bücherei ausgeliehener Weltkriegsliteratur der Zwanziger Jahre geweckt worden, von der Namen wie Verdun, die Forts Vaux und Douaumont sowie der Chemin des Dames bis heute einen nachhaltigen Eindruck in meinem Gedächtnis hinterlassen haben.

    Später, ab etwa siebzehn, als ich gemeinsam mit meinem Schulfreund mit der Radio-Bastelei begann, zu der ich mich in mein Mansardenzimmer zurückzog, kam ich häufig nur noch zum Essen herunter, blieb nicht länger als nötig mit den anderen zusammen am Tisch, um mich dann wieder zu meinem Bastel-Kram, den Alu-Chassis, den elektronischen Bauteilen, den Elektronenröhren, dem Lötkolben zurückzuziehen.

    In der Schule hielt ich mich im wahrsten Sinn des Wortes "bedeckt"; so wählte ich vorzugsweise einen Platz in einer der hinteren Reihen, wo ich mich am besten hinter dem vor mir Sitzenden verstecken und damit dem Blick des Lehrers oder der Lehrerin entziehen konnte, da ich in beständiger Angst lebte, "dranzukommen". Denn zwar war ich ein guter Schüler, wurde als einer der Besten der Klasse gehandelt, aber gleichzeitig war ich faul, kämpfte bewusst oder unbewusst gegen das Streber-Image an, kam morgens in die Schule, ohne Hausaufgaben gemacht zu haben (daher war meine Angst in gewisser Weise berechtigt), die ich dann in der ersten Stunde noch hastig, so gut es ging, erledigte. Wenn ein Gedicht zu lernen, ein paar Strophen von Schillers Glocke, oder ein Text zu lesen war und der Inhalt wiedergegeben werden sollte, ein Abschnitt der Odyssee oder im Französisch-Unterricht aus Rot und Schwarz oder Eugénie Grandet, dann war ich häufig nicht vorbereitet, und so machte ich mich möglichst klein und hoffte, verschont zu bleiben.

    Am meisten fürchtete ich mich davor, zum Aufsagen oder zur Wiedergabe eines Textes vor die Klasse geholt zu werden. Einige traumatische Scham-Erlebnisse hatte ich in solchen Situationen, wenn ich stammelnd und rot vor Verlegenheit vor der Klasse stand, weil ich den geforderten Stoff nicht beherrschte. Diese Schwierigkeit, vor anderen zu sprechen, erwies sich später im Studium als eine Hauptursache für mein Scheitern.