Nach und nach wurde unser abendliches Zusammensein immer spannungsgela- dener, sie rückte im Laufe eines Abends immer näher an mich heran und gab mir zu verstehen, dass sie von mir eigentlich erwartete, dass ich endlich zu Zärtlichkeiten überging. Ich folgte dem Rat von D.A. und blieb bei meiner Zurückhaltung, und verabschiedete mich. D.A. bestärkte mich in diesem Verhalten, das darin bestand, Intimität noch etwas hinauszuzögern und sie vorerst weiter zu enttäuschen. Er sprach einmal von "optimaler Frustration" – vielleicht ist mir der Begriff auch in der Literatur untergekommen –, ich müsse sie "immer wieder enttäuschen", natürlich nicht aus einem sadistischen Vergnügen, sondern um zu erreichen, dass sie sich auch in meiner Abwesenheit in Gedanken mit mir beschäftigte und sich eine Vorstellung von mir machte.

    Nach etwa vier Wochen – D.A. hatte mich dazu ermuntert, zur nächsten Phase überzugehen: "Sie hält Sie sonst für einen Keuschen Josef!" – blieb ich zum erstenmal die Nacht da und hatte sexuellen Verkehr mit ihr. Sie bekam keinen Orgasmus, und im weiteren Verlauf unserer Beziehung stellte sich heraus, dass sie nur wenig erregbar war und dies anscheinend relativ gleichmütig hinnahm.

    Ich hatte mir aus einem Karton, in dem S. Fotografien und andere Erinnerungs- stücke aufbewahrte, heimlich ein Foto von ihr genommen, das ich in die Analysestunde mitbrachte. Darin zeigte es sich offensichtlich, dass ich mir einer Sache nur sicher war und nur mit Zuversicht an sie herangehen konnte, wenn D.A. einen Blick darauf geworfen bzw. sie begutachtet hatte.

    Es kam natürlich auch meine etwa sieben Jahre zurückliegende erste Beziehung mit L. zur Sprache. Als Mahnung, es diesmal anders zu machen als mit L., mit der ich gleich von Anfang an in einer Wohnung zusammengelebt hatte, wurde mir von D.A. für diese erste, vom Reiz des Neuen geprägte Phase unserer Beziehung die Verhaltens- regel mitgegeben, zu vermeiden, zu eng und zu ausgiebig zusammenzuklumpen, "keinen Klumpatsch" zu bilden, wie er sich ausdrückte. Das hiess, dass wir immer getrennte Wohnungen hatten; und unsere Zusammenkünfte kamen in der Regel durch meine Initiative zustande: ich beschloss gewöhnlich, abends nach meinem Feierabend zu ihr zu fahren oder, wenn es meinem Gefühl nach zu sehr zur Gewohnheit wurde, eine Pause von einigen Tagen einzulegen. Dass ich eine Analyse machte, habe ich vorerst vor ihr geheimgehalten.