Zeitweise war unsere Beziehung auch substanzieller, ich bestärkte sie bei ihrer Bemühung, ein
anderes Zimmer in einer Wohngemeinschaft zu finden sowie eine Berufsperspektive zu verfolgen und eine Ausbildung
zur Erzieherin zu beginnen. Ich ging mit ihr den Lernstoff durch; ich erinnere mich noch, dass es um affirmative gratification pattern (oder so ähnlich) ging. Einmal hatte unsere "Sitzung" bis weit
nach Mitternacht gedauert, und sie hatte mich schon die Treppe hinunter bis in den Hausflur begleitet, als sie
mich fragte, ob ich nicht die Nacht bei ihr bleiben wolle. So geschah es, und wir hatten einen kurzen, intensiven
Geschlechtsverkehr, der sich nach meinem Erleben von früheren unterschied; sie war mit mehr Gefühl
dabei als sonst (sie konnte keinen Orgasmus bekommen). In derselben oder in einer darauffolgenden Nacht hatte
ich einen Traum, in dem ich mit einem Geschoss – einem Wurfgeschoss, einem Stein- chen oder einer
Gewehrkugel – ein gepanzertes Fahrzeug traf, wobei es mit einem metallisch kingenden Geräusch
anscheinend an der Panzerung abprallte, ohne sie zu durchdringen. Dieser Traum spiegelte sicherlich auch
einen phallischen Stolz wider, darüber hinaus aber ein Gefühl der Befriedigung, ihren
narzisstischen Panzer zwar nicht durchdrungen, so aber doch angekratzt zu haben.
An dieser Stelle hatte ich die Niederschrift vor über zwei Monaten unterbrochen. In mir hatte sich
ein Widerwillen gegen eine Fortführung gebildet; die noch vorhandenen Erinnerungen an den nun folgenden
Zeitabschnitt kamen mir – um ein etwas abwertendes Bild zu verwenden – ziemlich chaotisch vor
"wie Gegenstände in einer Abstellkammer". Zwischen mir und S. trat eine zunehmende Entfremdung ein, je
mehr ihre Verhaltensweisen mich irritierten, und wir drifteten immer mehr auseinander, je deutlicher es wurde,
dass unsere Vorstellungen von einer Beziehung nicht in Einklang zu bringen waren.
Aber ich merke, dass ich doch zu schnell zum Ende unserer Beziehung kommen wollte und dabei beinahe einige
weitere gemeinsame Erlebnisse weggelassen hätte. Allerdings stelle ich mir die Frage nach ihrer Bedeutung
für die Analyse, aber vielleicht reichte schon aus, dass "etwas passierte", gemäss der Vorgabe D.A.s,
ich müsse "die Frauen kennenlernen". So lernte ich verschiedene Seiten von S. kennen: einmal, bei einem
Kurzurlaub in Bayern, als sie wieder einmal aufbrausend war und ich sie mit der Absicht, sie in ihrem Wutanfall
zu "bändigen", mit den Armen umfasste, trat sie mir heftig gegen das Schienbein. Ein weiterer Kurzurlaub
– wir trafen uns in Rom, sie kam mit einem Flug, ich mit dem Wagen von Südfrankreich, wo ich einen
Urlaub verbracht hatte – stellte einen Höhepunkt in unserer Beziehung dar; für eine kurze Zeit
schien eine positive Entwicklung möglich zu sein. Eines Morgens in einem Hotel am Stadtrand von Rom entfuhr
ihr, für mich ziemlich überraschend, tatsächlich dies: Ich werde es dir noch danken; wenn es ein
Versprechen war, so nahm ich es recht skeptisch auf.