Es sind zwei Stichworte, die mir den Anstoss dazu geben, mir die damalige Zeit, das entscheidende Jahr vor der Diplom-Prüfung im Sommer 1979, wieder zu vergegen- wärtigen: das Tippen und das zwiespältig: Meine Tipptätigkeit fand zweigleisig, auf zwei unterschiedlichen "Schauplätzen" statt: im Institut verfasste ich meine Diplom-Arbeit, d.h. ich tippte sie selbst auf einer institutseigenen IBM-Executive, besorgte auch selbst das Layout, die graphischen Darstellungen, Skizzen von dem Experiment usw. Parallel dazu, soweit diese Arbeit, die wegen ihrer existenziellen Bedeutung natürlich an erster Stelle stand, es zuliess, betrieb ich mehr als geistigen Ausgleich weiterhin das bereits erwähnte Übersetzen aus dem Französischen: Le Traître ("Der Verräter") von André Gorz. Den Text tippte ich auf meiner Reiseschreibmaschine oder, wenn ich mich an Wochenenden, die ich bei S. verbrachte, zum Arbeiten in eine kleine Dachkammer zurückzog, auf der ihren; es war meine Weise, mir – und damit gleichzeitig uns beiden – eine Absonderung, eine zeitlich begrenzte Trennung zu verordnen.

    Um das zweite Stichwort aufzugreifen: wieso zwiespältig? Damit bin ich bei meiner Empfindung von Unbehagen, das sich bei der Rückschau auf diese Periode einstellt; es hat mit Scham zu tun: beide Arten von Aktivität waren begleitet von bestimmten irrealen, "aus der Luft gegriffenen" Phantasien, von überhöhten Vorstellungen und Erwartungen, grandios vielleicht weniger von ihrem Anspruch her – dem, "sich einen Namen zu machen" –, sondern hinsichtlich ihrer psychischen Qualität, eines literarischen Anspruchs, der über das reine Vergnügen hinausging. Im Grunde wusste ich selbst, dass diese Vorstellungen wenig mit der Realität zu tun hatten (Schiller: "Im Raume stossen sich die Sachen"; einer der wenigen Sprüche, die mir aus der Schulzeit im Gedächtnis geblieben sind); gestossen durch Desillusionierung wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, was im Nachhinein ein Gefühl der Scham hinter- liess. Was meine Übersetzungsarbeit betraf, so war es vielleicht noch leichter zu akzep- tieren, dass meine Vorstellung, mich als Übersetzer zu etablieren, ziemlich unrealistisch war: mit einer fertigen Übersetzung an den Verlag des betreffenden Autors heranzu- treten – so lief es in dem Geschäft bestimmt nicht; die Verlage vergaben den Auftrag an einen mit ihnen zusammenarbeitenden Übersetzer, so offenbar auch im Fall des Traître, der dann auch in deutscher Übersetzung erschienen ist.
  [Anm.: Das ganze Zitat aus dem Wallenstein, auf das ich in Fontanem Stechlin wieder gestossen bin, lautet: "Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch im Raume stossen sich die Sachen".]

    Schwerwiegender waren die Enttäuschungen, die sich auf beruflichem Feld, sprich im Hinblick auf meine beruflichen Ambitionen, einstellten. Man hätte ja annehmen können, dass ich durch die bestandene Diplomprüfung mit einer grossen Genugtuung erfüllt, dass ich danach in ein Hochgefühl versetzt worden wäre, was ja für eine kurze Zeit auch tatsächlich der Fall war. Aber ich erinnere mich, dass die Erleichterung und die Freude von dem schon angedeuteten zwiespältigen Gefühl getrübt waren: zu dem der Genugtuung kam ein Unwillen, dankbar sein zu sollen dafür, dass eine jahrelange Versagung und damit verbunden Hader und Groll durch die späte Erfüllung beendet zu sein schien.