Die Analyse befand sich in den zwei Jahren der Vorbereitung auf die Diplom-Prüfung zeitweise im Warte-Modus: zum einen Warten auf die Zeit danach, in der wieder mehr Bewegung in die Dinge kommen würde; zum anderen war auch in der Beziehung mit S. ein Zustand der Ungewissheit eingetreten, nachdem es über ein Jahr mit uns auf und ab gegangen war, mit einigen gemeinsamen Kurzreisen, mit einem Urlaub, den sie allein unternahm und den ich schon als halben Ausbruchsversuch interpretiert hatte; ein Abwarten in Ungewissheit darüber, ob es nun doch noch zu einem Durchbruch kommen würde, oder ob sie, nach all den teilweise bizarren Auftritten – einmal, als ich an meiner Wohnungstür ein Geräusch wahrnahm und nachsah, fand ich einen am Boden liegenden Blumenstrauss; sie hatte ihn dort abgelegt, hatte sich jedoch nicht dazu durchringen können, zu klingeln und ihn mir persönlich zu bringen – letztlich "abspringen" würde. Ihr Verhalten – dieses ebenso wie das früher geschilderte "Verschwinden" bei einem Waldspaziergang – zeugte von ihrer inneren Unfreiheit, einer inneren Zerrrissenheit; sie war, so sah ich es, in einem narzisstischen Käfig gefangen.

    Ob auch meine Arbeit für sie eine Rolle spielte, die Aussicht, dass ich demnächst ein "Studierter" sein würde, dass sie möglicherweise Angst hatte, sie könnte nicht mehr gut genug für mich sein – falls dem so war, so wurden diese Dinge jedenfalls zwischen uns nicht ausgesprochen. Ich denke, dieser Bereich, eine Partnerschaft auf dieser Grundlage, war für sie – und für mich im Grunde ebenso, nur mit D.A. an meiner Seite – ein fremder Kontinent. Das Ende kam irgendwann im letzen Jahr meiner Diplom-Arbeit, in genügendem zeitlichem Abstand zu den bevorstehenden Prüfungen, so dass sie durch die Trennung nicht beeinträchtigt wurden. Nachdem wir uns wieder einmal mit einem Zerwürfnis getrennt hatten, liess ich ein paar Tage verstreichen. Als sie sich am Telefon bei mir meldete, reagierte ich, ohne mir noch irgendeinen Zwang anzutun, ungehalten, etwa mit "Was willst du noch?" Ihre Reaktion darauf ist mir noch ziemlich genau in Erinnerung: "Ich melde mich dann nicht mehr".

    Sie hatte sich für einen anderen Weg entschieden. Wahrscheinlich hatte sich ihr Entschluss schon seit längerem angebahnt, ohne dass sie mir gegenüber offen darüber gesprochen hat. Ich wusste, dass sie hin und wieder ein Yoga-Zentrum der Maharishi-Sekte besuchte, hatte aber offenbar dieses Interesse und die Rolle, die sie für sie spielte, unterschätzt. Die Beziehung zu mir war anscheinend mit ihrer Annäherung an diese Sekte nicht in Einklang zu bringen, da ich nicht auch dazugehörte und keinerlei Interesse an ihr erkennen liess. Wir sind uns später einmal beim Einsteigen in die U-Bahn begegnet. Sie ging Hand in Hand mit einem Freund, den sie, als sie mich entdeckte, wegzog; beide waren in der orangefarbenen Sekten-Kleidung; sie hatte also augenscheinlich einen zu ihr passenden Partner gefunden. Sie war einige Zeit nach unserer Trennung noch einmal zu meiner Wohnung gekommen, allerdings wiederum ohne sich bei mir zu melden. Ich fand nämlich eines Tages in meinen Briefkasten einen Umschlag mit Fotos, die sie bei unserem gemeinsamen Rom-Besuch gemacht hatte.