Ich lebte vier oder fünf Monate mit L. zusammen, bevor sie im Frühjahr '69 nach Frankreich zurückfuhr, um Prüfungen abzulegen. Wieder allein in der kleinen Wohnung im vierten Stock, setzte die unvermeidliche somatischen Reaktion ein, mit Bronchitis, Tonusverlust, begleitet von einem Gefühl der Beklemmung und Entleerung, und da ich aus dem Fenster einen freien Ausblick über die Dächer hinweg auf den blauen Himmel der ersten Frühlingstage hatte, verstärkte sich mein Gefühl, von dem Leben, das draussen für "Die Anderen" begann, ausgeschlossen zu sein.

    Die Analyse stagnierte zunächst mit der zu Ende gehenden Beziehung, d.h. sie verlor an Wert; zwar hatte sie mich in die Lage versetzt, Zugang zum weiblichen Geschlecht (nach Freud der "Durchbruch zum Weibe") zu finden, konnte mich aber nicht davor bewahren, wieder verlassen zu werden. Sicher war es mein geheimer Wunsch, L. durch eine andere zu ersetzen. Ich wurde von einem gewissen Don-Juanismus beherrscht, wollte nur Beziehungen für kurze Dauer eingehen; doch verdeckte diese Einstellung nur meine fortbestehende Unfähigkeit zu "Eroberungen". Gemäss dieser "Logik" hielt ich den Briefkontakt mit einer anderen Frau, die ich ebenfalls in der Bretagne kennengelernt hatte, einer in der banlieue von Paris lebenden Studentin, aufrecht. Wir hatten ein gemeinsames Interesse: das Gitarrespielen – sie war wie ich dabei, es sich beizubringen bzw. neue Stücke, z.B. von J.S.Bach, einzuüben – und tauschten Noten aus. Ich weiss nicht mehr, wie lange dieses Zwischenspiel andauerte, ob es mit der Ankunft L.s beendet war; plausibel wäre auch, wenn ich mir auf diese Weise einen Ersatz geschaffen hätte, nachdem sie abgereist war.

    Im weiteren Verlauf stagnierte die Analyse auch dadurch, dass sich ein un- sichtbares Hindernis ihr in den Weg gelegt hatte und sie teilweise zu sabotieren schien. Ich stellte fest, dass ich nicht in der Lage war, alles, was mir in den Sinn kam, auch auszusprechen, nach meiner Annahme aufgrund meiner ausgiebigen Beschäftigung mit Freud eine Grundregel der Psychoanalyse. Eine F.R. betreffende zwanghafte Vorstel- lung, die ich ziemlich am Anfang entwickelte, brachte mich in diesen Zwiespalt: sie bezog sich auf ihre Beine, die unter ihrem Arztkittel sichtbar waren – vermutlich hat ihr Anblick eine tief verborgene Kindheitserinnerung an die Beine meiner Mutter in mir geweckt –; jedenfalls störte mich etwas an ihrer Form, und erst nach Überwinden meiner Scham wegen dieses lächerlichen Einfalls konnte ich darüber sprechen, dass ich sie in Gedanken als "Flaschenbeine" bezeichnet hatte.

  Ich weiss nicht, ob die unbedingte Gültigkeit der genannten Regel überhaupt bestand und sie wirklich so strikt einzuhalten ist, jedenfalls nahm ich mir, einem schlechtem Gewissen und dem Gefühl, die Analyse damit zu sabotieren, zum Trotz, die Freiheit zu selektieren, was ich mitteilte und was ich für mich behielt. Mag sein, dass diese offensichtlich tief in meiner Persönlichkeit verankerte Eigenschaft – Schwäche, Unfähigkeit zur Offenheit – einer Nicht-Eignung für die Psychoanalyse, zumindest für die von F.R. angewandte, gleichkommt.