Weitere Träume gab es, an die ich mich vage erinnere, in denen durch kraftvolle Tiere wie z.B. Pferde Vitalität und Körperlichkeit zum Ausdruck kamen: Eigenschaften, die bei mir wegen meiner vegetativen Labilität und obwohl das Sport-Treiben in meiner Jugend für mich sehr wichtig war (ich war ängstlich darauf bedacht, nicht als unsportliche "Flasche" zu gelten), nur ungenügend ausgebildet waren; unter diesem Gesichtspunkt drückten diese Träume kompensatorische Bedürfnisse aus, ähnlich der Funktion, die der Sport für mich hatte. So vage die Erinnerungen an diese Tier-Träume sind, haben einige von ihnen doch einen besonderen Eindruck von einem intensiven Kontakt, eventuell von der Berührung mit dem Fell, hinterlassen. Aus heutiger Sicht sehe ich da einen Zusammenhang mit der oben dargelegten Verbots-Thematik: in dem angedeuteten Kontakt mit dem Tier – Pferd, Esel oder Hund – wird das Berührungs- verbot, dessen Ausdruck in meiner Kindheit das "Bleib' mir vom Leibe" meiner Mutter war, durchbrochen. Und da in der Analyse alles als Ausdruck der Übertragung verstanden werden muss, kommen in diesen Träumen sicherlich verbotene Wünsche nach Körperkontakt mit der Analytikerin zum Ausdruck.

  In einem anderen Traum tritt die Analytikerin als Verfolgerin auf: ich befinde mich in der Nähe unserer Wohnung am Stadtrand von W., auf einer kleinen Nebenstrasse mit Feldern und von Gras überwucherten Gräben auf beiden Seiten. Da taucht in einiger Entfernung die Siegessäule auf und scheint sich langsam auf mich zu zu bewegen. Ich fühle mich überwacht, kontrolliert, ducke mich, will mich dem Beobachtetwerden entziehen und gehe im Graben in Deckung.

    Andererseits drückt der Traum auch den Wunsch aus, mein vergangenes Leben offenzulegen, ohne dass ich mich dessen schämen muss; die Strasse war in den ersten Schuljahren mein Schulweg – auf ihr fuhr ich anfangs mit meinem Lehrer-Vater auf dem Gepäckträger seines Fahrrades mit –, und hier spielten sich verbissene Rivalitäts- kämpfe mit meinem jüngeren Bruder ab. Anzumerken wäre noch die Interpretation als Phallus-Symbol – in der Freud'schen Deutung die mit einem Phallus ausgestattete Frau: auf der Spitze der Siegessäule befindet sich die Siegesgöttin, die "Goldelse". Hier taucht zum erstenmal die Farbe Gold als Farbe des Ideals, des idealisierten Objekts auf, das später in einer Reihe von Träumen noch häufiger wiederkehren wird.

    Anhand einer solchen Rückschau auf einen Traum in einem zeitlichen Abstand von mehr als vierzig Jahren, wobei ich keine Erinnerung mehr habe, wie und ob er überhaupt in der Analyse besprochen wurde, wird die Problematik des Rekonstruk- tionsversuchs deutlich. Ich habe keine – fast keine Erinnerungen mehr daran, wie die Analysestunden – es waren zwei pro Woche – im einzelnen abgelaufen sind. Ich kann mich nur an einige Träume als markante Orientierungspunkte halten, an denen sich ein Analyse-Geschehen kaum rekonstruieren, sondern nur annähernd nachzeichnen lässt.