Während einer mehrmonatigen Pause tauchte ein weiterer Traum-Typ in meiner Erinnerung wieder auf, der
über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Varianten auftrat, wobei ich aber nicht mehr sagen
kann, ob er noch der Analyse bei F.R. zuzuordnen ist. Es waren Träume, die Ähnlichkeit mit dem zuletzt
geschilderten hatten: jedesmal befinde ich mich in einem weitläufigen Gebäude mit einem labyrinth-
artigen Charakter, mal ist es ein Krankenhaus, mal ein Universitätsgebäude, mal ein Museum, oder auch
ein Theater. Jedesmal irre ich in unübersichtlichen Gängen, Treppenhäusern, orientierungslos
herum, mal von links nach rechts, in karreeförmig angelegten Flursystemen, wie sie in Krankenhäusern,
oder auch in Ämtern zu finden sind, und wieder zurück; dann Treppen hoch und wieder hinunter, bis in
den Keller mit immer enger werdenden Gängen, offenbar auf der Suche nach einem Ausgang. Dabei stosse ich
wohl auch mal auf Spuren von Bau- oder Renovierungs-Arbeiten (Hinweis auf die Funktion der Analyse als einem
Reparaturversuch an meinem beschädigten Lebensweg?), treffe aber dabei anscheinend auf keine anderen
Menschen.
Indem ich dies schreibe, fallen mir auch Szenen mit grösseren Menschen- ansammlungen ein, auf einem breiten
Treppenaufgang, vielleicht in einem Museum, in einem Kinosaal oder vor einem Theater, wohl auch in einem
Universitäts-Hörsaal, in dem ich mich auf Treppenstufen auf und ab bewege; weiterhin turbulente
Szenen auf einer Theaterbühne.
Treppen-Träume bildeten eine eigene Kategorie: wenn ich mich recht entsinne, waren sie nach einer gängigen
Lesart sexuell zu deuten, als Wunsch, zu sexueller Lustbefriedigung (zum Climax!) zu kommen.
Darüber hinaus kommt in ihnen aber sicherlich noch anderes zum Ausdruck: ein Streben nach
höchster Erfüllung, der Ehrgeiz, dem narzisstischen Ziel, dem Selbst-Ideal (oder doch: dem Ich-Ideal? Kohut macht diese Unterscheidung) näherzukommen – vergeblich wie Sisyphos, der sich abmüht, ohne je sein Ziel zu erreichen. Das Auf-und-Ab: welches Ziel ist hoch
genug, wäre angemessen – beispielsweise in der Universitäts-Hierarchie –, um meinen
Ansprüchen zu genügen!?
Dies sind natürlich Interpretationen aus heutiger Sicht, in die später gemachte Erfahrungen eingehen.
Wenn Ambitionen wie in derartigen Träumen angedeutet noch vorhanden waren (ich bewegte mich ja immerhin noch
überwiegend im Universitäts-Milieu), dann nur tief unter einer Decke vergraben. Sie bekamen erst im
Verlauf meiner zweiten Analyse durch neue Entwicklungen in meinem Leben eine reale Grundlage. Ein anderer
Auslöser für Träume dieser Art, in denen sich ein Wunsch nach Grösse, nach einem Auftreten
auf einer grossen Bühne, ausdrückt, war möglicherweise, dass ich in dieser Zeit nach 1968, wenn ich
an studentischen Versammlungen teilnahm, wegen meiner Unfähigkeit mit mir haderte, vor Menschen zu reden,
was es mir unmöglich machte, mich bei den Diskussionen auch einmal zu Wort zu melden.