Ein Detail aus dem Behandlungszimmer ist mir noch eingefallen: ein gerahmter Cartoon eines damals bekannten Satire-Zeichners an der Wand, in dem die Dankbarkeit bzw. Dankesschuld (gegenüber der Mutter?) ironisch- bissig thematisiert wurde.
Als erstes machte D.A. mir die Bedeutung der Bezahlung klar: Als wir über das Honorar sprachen, das
ich für die Stunde zahlen sollte, und ich ihm sagte, dass ich bei F.R. zwanzig DM – zuletzt, als ich
knapp bei Kasse war, sogar noch weniger, einen "Sozialtarif" gewissermassen – bezahlt hatte, und nun
etwa dieselbe Höhe erwartete, sagte er daraufhin – ich habe seine Worte heute noch im Ohr, d.h.
sie sind mir nach dem Niederschreiben des Vorangegangenen wieder eingefallen: "Ich depotenziere Sie ja!" So
fing ich, wenn ich mich richtig erinnere, mit 50 DM die Stunde an; in den darauffolgende Jahren steigerte
es sich auf 60 und zuletzt auf 70 DM. Bei drei Stunden pro Woche zahlte ich also am Anfang pro Monat 600-650
DM bei einem Verdienst von etwa 1200 DM, wenn ich mich recht erinnere: jedenfalls meine ich mehr als die
Hälfte meines Monatslohns für die Analyse ausgegeben zu haben.
Um eine Vorstellung von den damaligen materiellen Bedingungen, in der Zeit Mitte bis Ende der Siebziger
Jahre, zu geben: ich zahlte für meine dunkle Hinterhaus- Wohnung um 50-70 DM Miete, also ebenso viel wie
für eine Analyse-Stunde.
Den Sinn der Bezahlung begriff ich, als ich die Erfahrung machte, dass die Sache mit dem Geld ein neues
Selbstwertgefühl in mir erzeugte. Ich erinnere mich, dass mich bei der Fahrt mit dem Bus zur Analysestunde
ein Gefühl des Stolzes und auch eine Überheblichkeit gegenüber den Mitfahrenden überkam, aus
dem Bewusstsein heraus, dass ich etwas besass, von dem sie nichts ahnten; etwas so Bedeutsames, dass ich bereit
war, mehr als die Hälfte meines Monatslohns dafür auszugeben. Der Gedanke, dass andere sich für
das gleiche Geld – es waren ja jährlich ca. fünf- bis sechstausend DM in den ersten ein bis
zwei Jahren, dann, bei zwei Stunden pro Woche, entspre- chend weniger – Dinge leisten konnten, eben
Annehmlichkeiten des Lebens, schien keine Rolle zu spielen; er machte für mich keinen Sinn, da diese mir
aufgrund des Verlusts an Lebensfreude, wegen psychischer "Appetitlosigkeit", da die Dinge für mich ihren
Reiz verloren hatten, verschlossen waren.
Ein weiterer Gesichtspunkt betraf die mehr unterschwellige Wirkung auf mich, den Eindruck, der mir über
die Höhe des Tarifs von der Selbsteinschätzung D.A.s, was seine professionelle Fähigkeit anging,
vermittelt wurde: das Geld, das ich ihm zahlte, war Ausdruck des Wertes, den die Behandlung bei ihm darstellte,
durch es wurde mir gleichzeitig vermittelt, dass ich, gewissermassen als Gegenwert, hohe Ansprüche an sie
stellen konnte. Das war es offenbar, was D.A. mir mit dem oben zitierten Ausspruch "Ich depotenziere
Sie ja!" nahebringen wollte. In der Umkehrung lässt er sich aber auch so verstehen: eine zu geringe
Bezahlung würde auch eine Geringschätzung seiner profes- sionellen Potenz bedeuten.