Die zweite Analyse (ca.1974 - 1984)


    Ich hatte mich etwa zwei Jahre nach Beendigung der Analyse wieder an D.A. gewandt, von dem ich etwa sechs Jahre zuvor an F.R. vermittelt worden war. Sie kamen beide vom Institut für Neo-Psychoanalyse ( Schultz-Hencke-Institut), sie hatten dort etwa zur gleichen Zeit ihre Ausbildung gemacht. D.A. war Mitte vierzig, also ca.13-15 Jahre älter als ich; ich war 32, hatte einen Job als Telefonist in einer Klinik angenommen, eine Tätigkeit, die ich unmöglich als dauerhaft akzeptieren konnte.

    D.A. hatte, wie er mir darlegte, in den letzten Jahren im Laufe seiner Praxis neue Einsichten gewonnen, die ihn von den an dem genannten Institut vertretenen psychoanalytischen Auffassungen weggeführt hätten. Ich bin mir nicht sicher, ob er da schon die Namen M.Klein und H.Kohut genannt hat. Auch kann ich nur noch ver- muten, wie weit ich mich über meine ausgiebige Beschäftigung mit der Psychoanalyse ausgelassen habe.

    Die Sitzungen fanden gewöhnlich am späten Nachmittag, wenn er von seinem Klinik-Dienst kam, in der Wohnung statt, in der er mit seiner Familie wohnte. Das brachte es mit sich, dass ich – so wenn er mir nicht selbst die Tür öffnete, weil der vorherige Patient noch bei ihm war – auch andere Familienmitglieder, seine Frau und seine halbwüchsigen Kinder, nach und nach zu Gesicht bekam. Er achtete übrigens darauf, dass sich Patienten nie begegneten; kam man zu früh, dann hatte man hinter einer Zwischentür zu warten, bis er den Vorgänger verabschiedet hatte.

    Wenn ich auf der Couch lag, fiel mein Blick auf ein bis zur Decke reichendes Bücherregal, das mit Büchern und Zeitschriften doppelreihig vollgestellt war. Über diese Bücherrücken glitt, vor allem wenn Pausen eintraten, häufig mein Blick; dies immer häufiger und ausgedehnter, als ich im Verlauf der Analyse immer weniger zu sagen hatte und ich minutenlang stumm dalag und die Analysestunden zunehmend in einem resignativen Schweigen verstreichen liess. Aber damit greife ich schon vor: dieser Blick auf die Bücherwand hat sich mir als ein bleibender Eindruck von der Endphase einge- prägt, als die Analyse, nachdem die Resignation endgültig von mir Besitz ergriffen hatte, faktisch zum Stillstand gekommen war; mein ziellos schweifender Blick und dieses letzte dumpfe Gefühl von Unbeteiligtsein und Unerreichbarkeit, das in der Rückschau vor allen anderen Erinnerungen und Eindrücken nachwirkt, lastet als bleischwere Hypothek von Anfang an auf dem Vorhaben, dagegen werde ich anschreiben müssen.