Mit der Beendigung der Analyse ging ein weitreichender Einschnitt in meinem Leben einher: ich "machte
reinen Tisch", indem ich mich an der Uni exmatrikulierte und damit das Studium endgültig hinter mir
liess; brach Brücken ab (nicht alle), zog aus der Wohngemeinschaft aus und hatte die nächsten
Monate keine eigene Wohnung bzw. ein Zimmer (einige meiner Sachen, die ich behalten wollte, hatte ich in
einem Kellerraum von Bekannten untergebracht), wohnte vorübergehend bei verschiedenen Leuten.
Zunächst aber trat ich – es war der Sommer 1972 – eine Reise an: über Frankreich,
Spanien, Portugal nach Marokko. Meine Absicht war es, einige Zeit, möglichst bis zum Frühjahr,
da unten zu verbringen und in wärmeren Ländern zu überwintern, ich war aber dann doch schon
vor Weihnachten wieder in B. Meinen drängenden inneren sowie den existenziellen Problemen – dem
Fehlen einer Zukunftsperspektive – konnte ich auf diese Weise nicht entkommen.
Wie sehr mein seelisches Gleichgewicht auch danach gestört war, merkte ich auf dieser Reise, als ich wieder
eine Urlaubsbekanntschaft machte (in Portugal) und mit ihr ein paar Nächte mit sexuellem Verkehr am Strand
verbrachte. Ich hatte daraufhin lebhafte Träume mit bedrohlichen Szenarien; an einen Verfolgungstraum
kann ich mich noch erinnern: der Schauplatz war eine weite, offenen Steppe in einem fremden Land, in Afrika
etwa. Ich wurde von "Wilden", Männern auf der Jagd, verfolgt, wie ein Tier gehetzt und schliesslich mit
einem Speer, der mich im Rücken traf, "erlegt"; anschliessend in kleine Stücke zerlegt, die auf eine
Art Pizza aufgebracht wurden, um dann in einem Backofen gebacken zu werden, ein Szenario, das an
Hänsel und Gretel erinnert [oder auch an das Ende von Max und Moritz, das als eine Bilderbuch-Symbolik
für die als Begriff aus der psychoanalytischen Terminologie geläufige Fragmentierung
steht.]
Bevor ich nach B. zurückkehrte, hatte ich, als ich durch eine Mitfahrgelegenheit zu einem Aufenthalt, dem
einzigen in meinem Leben, nach England kam, in London vergeblich versucht, mich nach der Möglichkeit
einer Psychoanalyse zu erkundigen – ich hatte bereits meine illusorische Vorstellung erwähnt,
es müsse ausserhalb Deutschlands ein Land bzw. einen Ort geben, an dem eine "fortgeschrittenere"
Psychoanalyse praktiziert wird. Mit England brachte ich in Verbindung, dass ausser Freud selbst einige der
jüdischen Psychoanalytiker dorthin emigriert waren und neue Schulen gegründet hatten, allen voran
Anna Freud und Melanie Klein. Vor allem letztere stand ("Neid und Dankbarkeit") für
eine Erweiterung der Psychoanalyse auf die früheste Kindheit, die von ihr postulierte
depressive Phase. Mein von mir als abwärts in tiefere Bereiche der Psyche führend interpretierter
Traum legte mir nahe, dass eine Psychoanalyse in meinem "Fall" in diese Richtung weitergehen müsste.