"Sie knüppeln sich selber nieder!" – dieser markanteste Satz D.A.s stand am
Anfang der Analyse. Und, auf meine Selbst-Unsicherheit, ja Selbstverachtung, das Gefühl, ein Niemand zu sein,
Ursache meiner Kontaktscheu, eingehend: "Sie müssen mehr Ansehen gewinnen". Das schien
jedoch bei meiner derzeitigen Klinik-Tätigkeit unerreichbar zu sein. Der verhasste Job und die
Unmöglichkeit, ihn aufzugeben – mit ihm verdiente ich ja das Geld, nicht nur zum Leben, sondern auch
für die Analyse – dies und im Zusammenhang damit die Frage, was ich sonst beruflich machen könnte,
war das beherrschende Thema der ersten Monate und erzeugte in mir einen gesteigerten Groll und führte
gleichzeitig in der Analyse zu einer zunehmenden Spannung bis zu einem Punkt, an dem es nur noch einen Vorwand
brauchte, um mich zum Abbruch zu bewegen. Dieser Vorwand ergab sich nach etwa einem Jahr.
Während der – nach Beendigung der Analyse bei F.R. – analyselosen Zeit und dann auch noch
in der Anfangszeit bei D.A. hatte ich einige wenige sexuelle Erfahrungen mit Frauen, die mir wohl einzig ein
Gefühl von scheinbar gestärkter Männlichkeit gaben, die aber an meinen Vorbehalten und meinem
Misstrauen ihnen gegenüber nichts entschei- dend verändern konnten. Im Gegenteil, zwei oder drei dieser
Abenteuer, sexuell frustrierende mit Frauen verbrachte Nächte, waren eher geeignet, mein Ressentiment ihnen
gegenüber zu bestätigen. Bei einer anderen Gelegenheit, als ich den Mut aufbrachte und auf einer Liegewiese
eine Frau ansprach, die dem Anschein nach single war und sich bereitwillig auf ein Gespräch
über das Buch einliess, das sie gerade las (ich entsinne mich noch genau, es war von M.Kundera
Die Leichtigkeit des Seins), stellte sich nach einer Weile heraus, dass es da doch einen Freund gab; sie hatte
sich nur ein Stück weit entfernt von ihm niedergelassen.
Ich war, so kam es mir vor, in eine Falle getappt; ich hatte das Gefühl, dass mit mir gespielt wurde,
dass ich Frauen diesen Eindruck von Unbedarftheit zu vermitteln schien, einer zu sein, mit dem man
soetwas machen konnte. Mein Selbstbewusstsein erreichte wohl einen Tiefpunkt der Selbstabwertung, als mich
eine Klinik-Laborantin, mit der ich im Dienst in Kontakt kam, als komischen Kauz bezeichnete.
Durch dieses Urteil fühlte ich mich in meinem eigenen bestätigt, das ich selbst über mich hatte:
eine befremdliche Wirkung auf Frauen zu haben, die sie dazu brachte, mich abweisend oder gar abschätzig zu
behandeln und mit mir ein Spiel zu treiben.
D.A. hörte sich diese Geschichten zunächst an; wenn er Bemerkungen dazu machte, die mir nicht
gerade ermutigend klangen, dann fühlte ich mich darin bestätigt, dass ich etwas falsch machte.
Folgerichtig lautete seine Aufforderung: "Sie müssen die Frauen kennenlernen"; womit
er meinte, dass ich auf die Weise, wie ich mich bisher zu ihnen verhalten hatte, meine tiefsitzendenen
Vorbehalte, die Ängste, die ich ihnen gegenüber hatte, nie würde überwinden können.
Bei alledem vermittelte er mir, auch durch Einblicke, die er mir im Laufe der Jahre in sein Privatleben gab,
dass er mit dem Wissen sprach, das auf eigenen Erfahrungen beruhte.