Es fällt mir schwer, die zwei Ebenen – oder sollte ich statt der räumlichen lieber die
Zeitdimension wählen –, die zwei Achsen, auf denen sich mein Leben in der folgenden Zeit abspielte,
miteinander in Beziehung zu setzen. Auf der einen Achse nahm mein reales Leben seinen Lauf: nach ein paar
Monaten Arbeitslosigkeit verschlug es mich eher durch Zufall als ABM-Kraft in das K.-Institut, in einen Bereich,
in dem hochkarätige experimentelle physikalische Forschung betrieben wurde, wo mir, nachdem ich meine
Leistungsbereitschaft unter Beweis gestellt hatte, nach einem Jahr sogar die Gelegen- heit geboten wurde, eine
Diplomarbeit anzufertigen, mein Studium wiederaufzunehmen und mit dem Diplom abzuschliessen.
Auf der anderen Zeitachse herrschte in der der Analyse offenbar ein anderes Zeitgefühl: während
ich im Zusamenhang mit meiner Arbeit unter Druck stand – frühes Aufstehen, längere Fahrtzeiten mit
S-Bahn und Bus; Durchführung langer Messreihen in der Einsamkeit eines Keller-Labors – schien in der
Analyse abgesehen von einer reflexiven Betrachtung der vorangegangenen Erfahrungen, vor allem der Beziehung zu
Lilly, der ersten Freundin aus der Zeit der Analyse bei F.R., kaum etwas zu passieren. So ist es vielleicht
erklärlich, dass mir von meiner neu aufgenommenen Tätigkeit stärkere Eindrücke geblieben
sind als von dem, was uns in der ersten Analysezeit beschäftigte.
Während ich diese Gedanken niederschrieb, fiel mir eine Äusserung über etwas wieder ein,
was er mit dem Ausdruck "Zeitmaterialismus" umschrieb. Möglicherweise entstanden die vorangegangenen
Überlegungen schon von Anfang an, sei es unbewusst oder vorbewusst, unter dem Einfluss der wieder
auftauchenden Erinnerung an die von D.A. geäusserten Betrachtungen (ich bin mir übrigens nicht
sicher, ob ich seine Gedanken zur Wahrnehmung der Zeit, für den er diesen Begriff verwendete, damals
verstanden habe) – ich stelle in der Tat in mir soetwas wie eine Identifizierung fest, d.h. eigentlich
ist es der Versuch einer Erneuerung oder Wiederauffrischung der in der Analyse entstandenen Identifizierung.
Das Mobilisieren einer Rest-Identifizierung kann bei der von mir zu leistenden Erinnerungsarbeit hilfreich sein.
Nach der Unterbrechung, die, wenn ich mich richtig erinnere, etwa ein dreiviertel Jahr dauerte, nahm ich
die Analyse also wieder auf – oder vielleicht musste man eher von einem Neubeginn sprechen. Mit Bezug
auf den Moser'schen Analysenbericht, den ich während meiner Urlaubsfahrt, von der ich berichtet habe,
gelesen hatte, kam die Sprache auf Heinz Kohut, den Verfasser des Narzissmus – dessen
"analytischer Enkel" T.Moser ist –, und das von ihm entwickelte Konzept vom Grandiosen
oder "Grössen-Selbst". In diesem Sinn interpretiert, lässt sich das, was sich in den folgenden
Analysejahren auf psychischem Gebiet abspielte, auch als eine "Wiederbelebung des Grössen-Selbst"
interpretieren. Ausgehend von der Kohut'schen These habe ich, als Manifestationen von Grössen-Selbst und
Selbst-Idealisierung – narzisstischer Selbst-Besetzung –, eine Reihe von sporadisch auftretenden
Träumen aufgefasst, die mir in Erinnerung geblieben sind und deren gemeinsames Merkmal das Monumentale
war, sei es in Form von Türmen, Kuppeln, oder auch in Stein geformten Statuen.