Eine Frage beschäftigt mich an dieser Stelle, die das Verhältnis von der Bespre- chung und der Aufarbeitung mir wichtig erscheinender Vorkommnisse in meinem aktuellen Leben auf der einen und der eigentlichen analytischen Bearbeitung von Träumen, Projektionen, Phantasien auf der anderen Seite betrifft – sofern sich die beiden Bereiche überhaupt eindeutig trennen lassen. Zugespitzt formuliert will ich darauf hinaus – wenn es auch paradox klingt: Wieviel Psychoanalyse hatte meine Analyse? Dieser Gedanke scheint sich mir auch deshalb unterschwellig aufzudrängen, weil ich das Gefühl habe, dass ich aus der vieljährigen Analysezeit relativ wenige Träume zu berichten habe. Was machte die Notwendigkeit gerade einer an der Psychoanalyse orientierten Herangehensweise aus; oder wäre eine vergleichbare Behandlung auch als praktische Lebensberatung ohne den psychoanalytischen Hinter- grund, "nur" in Form einer professionellen Begleitung, denkbar, mit vergleichbarem Ergebnis? Es wird im Verlauf des Berichts über die weiteren Entwicklungen deutlich werden, dass D.A. bis zu einem gewissen Grad die Funktion eines älteren erfahreneren Mentors oder, heute würde man ihn anders nennen: eines Coaches ausfüllte, der Einfluss auf mein Handeln nahm, indem er mir unter mehreren Alternativen diejenige nahelegte, die er für die beste hielt.

    Spekulationen wie die vorangegangenen, Ausdruck von Verunsicherung und Ver- wirrung, ob es zwangsläufig war, dass ich nur diesen Weg und keinen anderen ein- schlagen konnte – beispielsweise mich, wie von F.R., der vorigen Analytikerin, mit ihrem Hinweis auf die Gruppe um G.Ammon als Möglichkeit in den Raum gestellt, einer Sekte oder einer sektenähnlichen Gemeinschaft anschliessen – scheinen auf die eine Frage abzuzielen: Hatte ich in meiner Lage die Freiheit der Wahl? Als Antwort kann ich nur auf die Erfahrung meines ganz von der Psychoanalyse geprägten bisherigen Lebens und die daraus resultierende Überzeugung verweisen, dass es zu dem einmal einge- schlagenen Weg, der mich eine Lösung meines existenziellen Problems nur im Rahmen der Psychoanalyse suchen liess, keine ernsthafte Alternative gab. Folglich hielt ich an der auf sie gerichteten Erwartung fest, setzte meine Hoffnung darauf, dass es die eine, richtige, für mich geeignete Variante gäbe, die mich aus dem ausweglosen Zustand der Unanalysierbarkeit herausholte: Dies war ja vor allem die Erwartung an D.A., nachdem er mir erklärt hatte, im Verlauf seiner Arbeit neue Erkenntnisse gewonnen und, angeregt durch die Auffassungen von M.Klein und H.Kohut, mit einem neuen Ansatz die von der Neo-Psychoanalyse vertretenen hinter sich gelassen zu haben.

    Es stellte die gemeinsame Grundlage dar, auf der das Vertrauen und damit – nach der beschriebenen Krise – mein Wille beruhte, es noch einmal zu versuchen. Die Bereitschaft D.A.s, mich in Analyse zurückzunehmen, fasste ich als eine Bestätigung auf, mit ihm "den richtigen" Analytiker gefunden zu haben, was für mich Grund genug war, neue Hoffnung zu schöpfen. Allerdings hatten sich durch die vorangegangene Analyse bei F.R. und die gemachten Erfahrungen auf sexuellem Gebiet die Gewichte zwischen der sexuellen und der nicht-sexuellen Problematik verschoben: im Vorder- grund stand mehr und mehr die Diskrepanz zwischen meinem Gefühl totaler Nichtigkeit und dem, was ich, gemessen an meinen Ansprüchen, sein – und erreichen – müsste; eine unüberbrückbarbe Kluft, die meine Existenz bestimmte, indem sie sich in Ressentiment niederschlug.