Als D.A. mir einmal den Anfang eines Aufsatzes vorlas, den er für eine Fach- zeitschrift verfasst hatte,
hatte das eine verheerende Wirkung auf mich: ich fühlte mich deklassiert, wohl auch dadurch provoziert, wie er
so von sich überzeugt seine Fähigkeit demonstrierte; ich registrierte voller Neid, dass er auch auf diesem
Gebiet, als Schriftsteller bzw. Autor, mühelos das zustande brachte, wozu ich auch gern fähig gewesen
wäre, das mir jedoch unerreichbar erschien. Dieser "Vorfall" löste einen solchen Groll in mir aus, dass
ich, wohl um ihn zu bestrafen, zum nächsten Analyse-Termin nicht mehr erschien. Angesichts der Unzufriedenheit
über meine Lebens- umstände, die sich insbesondere wegen meines Jobs in mir aufgestaut hatte, hatte er
mit seinem selbstzufriedenen Vorlesen "das Fass zum Überlaufen" gebracht; aber darüber hinaus lieferte
er mir wohl auch einen willkommenen Anlass, den Abbruch herbeizuführen.
Ich hatte mich also durch einen radikalen Schritt von der vermeintlichen Fesselung durch die Analyse befreit.
Tatsächlich fühlte ich mich auch ein wenig freier, so frei jedenfalls, dass ich den verhassten Job, den
ich fast zwei Jahre durchgehalten hatte und den ich nur wegen der Analyse meinte nicht aufgeben zu können,
beendete und mich arbeitslos meldete. Offenbar war ich nur ausserhalb der Analyse in der Lage, diesen einschneidenden
Schritt zu vollziehen. Mit dem VW-Käfer, den ich mir anschlie- ssend für ein paar hundert D-Mark kaufte,
unternahm ich im Sommer eine Urlaubsfahrt nach Frankreich, in die Bretagne, und nahm dabei ungefähr die
gleiche Route die Kanalküste entlang, die ich bei früheren Fahrten per Anhalter zurückgelegt hatte.
Ich schlief im Auto auf der Rückbank, blieb einmal auf einem Feldweg stecken und musste – es war, wenn
ich mich richtig erinnere, an einem Sonntagmorgen – einen Bauern zur Hilfe holen, damit er den Wagen mit
seinem Traktor wieder flottmachte.
Auf der Rückfahrt über Paris suchte ich die Wohnung einer Urlaubs-Liebe auf, traf sie aber nicht
an. Mit ihr, einer Medizin-Studentin, bei der ich etwa vier Jahre zuvor, nach der Beendigung der Beziehung zu Lilly,
ein paar Tage verbracht hatte, hatte mich über die Sexualität hinaus verbunden, dass sie ebenfalls eine
Psychoanalyse machte. Ich bin, wenn ich auch später häufig nach Frankreich gefahren bin, vor allem in
den südlichen Teil zum Wandern, seitdem nie wieder in Paris gewesen. Es scheint, dass diese imaginäre
Abspaltung der Nordhälfte in meiner Phantasie eine Abkehr von der mit Lille und Paris verknüpften
Vergangenheit markiert. Das eigentlich Bedeutsame an dieser Urlaubsfahrt war jedoch, dass ich unterwegs Tilmann
Mosers Lehrjahre auf der Couch las, das ich als kleinformatigen Raubdruck dabei hatte, und
daraufhin den Entschluss fasste, wieder Kontakt zu D.A. aufzunehmen und, falls er dazu bereit war, die Analyse
fortzuführen. – Mir fällt an dieser Stelle auf, dass das oben geschilderte Erlebnis mit dem
hilfsbereiten Bauern in der Normandie, das "Wieder-flott-machen" meines Wagens, meine Situation bildlich wiedergab:
so wandte ich mich nach meiner Rückkehr an D.A., in der Erwartung, dass er mir dabei behilflich sein würde,
"mein Lebensgefährt wieder flott" zu machen.