Ein Schritt ist mir von dieser Reise in Erinnerung geblieben, mit dem ich eine Anregung von D.A. in die Tat umgesetzt habe: ich habe K. vorgeschlagen, einen Vertrag auf Zeit, auf sechs Wochen, glaube ich (oder waren es doch drei Monate, ich weiss es nicht mehr), abzuschliessen; nach Ablauf dieser Zeit könnten wir ja unsere Beziehung auf den Prüfstand stellen und neu entscheiden, ob wir sie fortsetzen wollen oder nicht. Nach unserer Rückkehr ging sie mit diesem Arrangement auf ihre Weise um: als ich nach ein oder zwei Wochen wieder zu ihr fuhr, hatte sie eine Reisetasche mit meinen Sachen, die sich noch bei ihr befanden, bereitgestellt – gleich neben der Tür, wenn ich mich richtig erinnere –, damit ich sie mitnähme; es sollte bei diesem kurzen Abenteuer bleiben. Ich fasste diesen Akt so auf, dass sie mich auf die Probe stellen wollte, ob ich "die Flinte ins Korn werfen" und aufgeben, oder ob ich auf ihre kühle Zurückweisung mit einem verstärkten Bemühen reagieren würde. Vorläufig musste ich mich, um bei ihr etwas zu erreichen, auf diese Art von Tests bzw. Bewährungsproben einlassen, und so gab es dann doch eine Fortsetzung.

    Ich stelle in mir einen Drang fest, die Erzählung dieser Beziehung ebenso kurz und schmerzlos abzuschliessen, wie sie dann in der Realität, drei Jahre später, von mir beendet wurde. Jedoch will ich diesem Drang noch für einen Moment widerstehen und versuchen, in der Rückschau dieser gemeinsamen Zeit mit K. und Jan, ihrem Sohn, noch ein wenig mehr abzugewinnen. Denn die Situation unterschied sich dadurch, dass wir zu dritt waren, wesentlich von der in den vorangegangenen Beziehungen.

    An einen von K.s Träumen – sie versuchte sich morgens an die Träume der ver- gangenen Nacht zu erinnern und notierte sie manchmal gleich nach dem Aufwachen in einem bereit liegenden Heft –, in dem die Dreier-Konstellation unserer Beziehung dargestellt wurde, kann ich mich erinnern: wir laufen alle drei, ich vorneweg, sie in der Mitte und J. dahinter, eine Treppe hoch; die Szene hat etwas von einer Verfolgungsjagd: sie jagt bzw. verfolgt mich und wird selbst von Jan verfolgt.

    Sie gehörte zu einer Reihe von Frauen, die ich gekannt habe, die in einem starken Konkurrenzverhältnis zu einem Bruder standen, auch L., die erste Freundin, hatte einen jüngeren Bruder, bei ihr war dieser Geschwisterkonflikt offenbar in einem positiven Sinn gelöst; sie hatte ein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder, den ich einmal kennengelernt hatte, als er zu Besuch nach B. kam. Diese Geschwisterproblematik betrifft auch mich, da auch ich in einem Konkurrenzverhältnis zu einem jüngeren Bruder gestanden habe.

  Die Problematik einer Geschwisterkonstellation – Mädchen mit jüngerem Bruder – betraf auch meine sieben Jahre ältere Schwester, deren kurz auf sie folgender, also mein älterer, Bruder noch vor meiner Geburt gestorben war und dessen Verlust vermutlich einen Einfluss auf ihre Charakterentwicklung und somit auch auf ihr Verhältnis zu mir hatte, das von einer kühlen Distanz beherrscht zu sein schien, was sicherlich nicht nur auf den Altersunterschied zurückzuführen war. – Welche Auswirkung der Tod dieses Kindes im Alter von drei Jahren auf die psychische Verfassung der Mutter hatte, darüber kann ich nur spekulieren; mit Sicherheit war ich aber bis zu einem gewissen Grad bei meiner Geburt für sie derjenige, der ihr das verlorene Kind ersetzen sollte.