Zurück in die Vergangenheit ...

           StichwortVerrücktheit(en):

    Wie "verrückt" war ich in bestimmten Lebensphasen? Doch nicht wirklich in dem Sinn, dass ich in eine Psychose abglitt, vielmehr nur als ein Experiment, eine Möglichkeit, mit ihr zu spielen. Beispielsweise wenn ich auf einer mehrstündigen Busfahrt von Süd- nach Nordspanien, ich muss etwa Ende zwanzig gewesen sein, beim Hinausschauen aus dem Fenster mich in einen Zustand der Abwesenheit, in eine Distanzierung von der realen Welt hineingleiten liess (ich glaube, dafür gibt es den Begriff Absentismus), verbunden mit einer beklemmenden Angst, ich könnte aus dieser eigenen abgeschlossenen Realität der "verrückten Wahrnehmung" nicht wieder zur "normalen" Wahrnehmung zurückfinden (kürzlich las ich über ein solches Krankheits- bild, bei dem es sich allerdings wohl um eine Form von Alters-Demenz handelt). Damals verbanden sich meine Befürchtungen oder auch die Erwartung, "den Verstand zu verlieren", mit der Vorstellung von einer geistigen Umnachtung (die Schicksale von Hölderlin und Nietzsche spukten wohl in meinem Kopf herum), woraufhin ich schliesslich wie der Schweizer Schriftsteller Robert Walser, über dessen Schicksal ich gelesen hatte, den Rest meines Lebens in einer geschlossenen Anstalt verbringen würde.

    Irgendwann kam ich dann noch während der Fahrt wieder zur Besinnung und es stellte sich wieder die "normale" Wahrnehmung der Aussenwelt ein, und ich sah ein, dass ich nur "verrückt werden" gespielt hatte; wobei sich allerdings die Frage stellt, wie pathologisch schon das Entwickeln solcher Gedanken des Verrücktwerdens, das Sich- ihnen-Hingeben bzw. ihnen Nahrung zu geben, ist, ist doch in ihnen nicht schwer der Wunsch zu erkennen, aus einem alles beherrschenden Gefühl der Angst heraus, dem Leben in der rauen Wirklichkeit nicht gewachsen zu sein, ja mangels Abwehrkräften und/oder Schutzvorrichtungen von ihr zermalmt zu werden, im schützenden Kokon einer Heilanstalt – so wie der genannte R.Walser – Zuflucht zu suchen.

    Wie real waren meine Befürchtungen hinsichlich meines Geisteszustands; waren sie nur eingebildet – woraus sich eine zusätzliche Furcht ergab, die nämlich, für einen Simulanten, einen Eingebildeten Kranken, gehalten zu werden?

    So erinnere ich mich auch an Träume aus einer späteren Lebensphase, die mich beunruhigten: sie hatten gemeinsam, dass meine Innenansicht gewissermassen an den Himmel projiziert bzw. in den Kosmos transferiert wurde: in einem Traum sah ich eine schwarze Sonne, in einem anderen befand ich mich im schwerelosen Raum an der Grenze zwischen den Anziehungskräften der Erde und des Mondes, "schwebte" scheinbar in Gefahr, die Schwerkraft der Erde endgültig zu verlassen und mich "im Weltraum zu verlieren" (in heutiger Deutung drückt der Traum wohl eher die Angst aus, auf einem eigenen Planeten (resp. dem Mond) zu "landen", d.h. in völliger innerer Isolation, gefangen in einer eigenen Welt). Bei aller Beunruhigung fasste ich diese Träume aber doch als Hinweise auf, dass diese Gefahr nicht wirklich bestand und ich nicht psychotisch war oder wurde.