Einblicke in der Nacht . . .

    Dr.A. hat mir in einer Analysestunde einmal – wie unprofessionell; oder? – einen Traum erzählt; ich kann mich nicht mehr erinnern, was ihn dazu veranlasst hat, möglicherweise einer meiner Träume: er liegt nachts in einem Zelt, da reisst das Zelt- dach auf und gibt den Blick auf den tiefschwarzen Nachthimmel frei. Der Blick in das Nichts – vielleicht die einzige Traum-Erfahrung, die wegen ihrer Absolutheit einem Anderen, sofern er Entsprechendes erfahren hat (ich denke hier an einen eigenen Traum, in dem ich in einen bodenlosen Abgrund blicke), annäherungsweise vermittelt werden kann.

Anm.: Beim Wiederlesen fällt mir bruchstückhaft ein Traum aus derselben Zeit wieder ein: Ich befinde mich auf einem Gelände-Vorsprung über einem Abgrund; als ich auf den Boden unter und hinter mir sehe, stelle ich fest, dass diese Nase, auf der ich stehe, schon abgebrochen ist, ich also, gerade noch für einen Augenblick, frei im Raum schwebe, bevor ich in die Tiefe fallen muss.

        . . . oder doch eher Grüblerisches Wach-Liegen

    Was mich die letzte Nacht wach hielt: der Versuch, einen unverstellten Blick auf die Phase, die letzte, meines Lebens, die noch vor mir liegt, zu werfen – da ist ein Schleier, zumindest ein wenig, weggezogen worden: Wird die Zeit, die mir noch bleibt, angesichts der sich ankündigenden körperlichen Beschwerden noch einigermassen er- träglich sein? Wie lange werde ich meine Wohnung behalten können? Ein paradoxes Hin-und-Her: auf der einen Seite können noch Jahre vor mir liegen, auf der anderen geht es sehr schnell; die letzten zehn, insbesondere die allerletzten vier Jahre seit meinen Psychologen-Gesprächen wegen meiner am Ende aufgegebenen Absicht, eine Betreuung zu bekommen.

    In diesen Wochen und Monaten um meinen 73. Geburtstag herum, das Alter, in dem mein Vater gestorben ist, kreisten meine Gedanken viel um die Frage, wieviele Jahre mir wohl noch bestimmt sind – bestimmt: nicht im Sinn einer Vorherbestimmung durch eine Vorsehung oder das Schicksal, sondern bedingt durch einen Erbfaktor, eine genetische Disposition, die meine Lebensdauer auf sagen wir: 80 plusminus X begrenzt (wie es bei meiner kürzlich verstorbenen Schwester der Fall gewesen zu sein scheint, die, ohne vorher ernsthaft erkrankt zu sein, kurz vor Erreichen der Achtzig starb); jedoch eher nicht infolge einer Herzkrankheit beispielsweise wie mein Vater, bei dem Herzversagen die Todesursache war.