Mehr über Paradoxien bzw. Das Paradoxe – . . . zuviel des Paradoxen?

    Camus' Versuch über das Absurde ("Der Mythos von Sisyphos") kommt mir in den Sinn: Deckt sich das von ihm als "das Absurde" Bezeichnete nicht in etwa mit dem, was man allgemein als Paradox bezeichnet: eine Situation, ein Sachverhalt mit mehr- schichtiger, "uneindeutiger" Logik bzw. Logiken, die miteinander unvereinbar sind, die sich gegenseitig ausschliessen?

    Schon indem ich ansetze, darüber nachzudenken, was es mit dem Paradoxen auf sich hat, befinde ich mich mitten in einem Paradox: Ich setze voraus, dass es es gibt, da der Begriff existiert. Aber was er bezeichnet, ist nicht logisch fassbar, diese a-logische Eigenschaft ist ja gerade die Bedingung für seine Existenz. Wenn aber das Ziel jedes Nachdenkens ist, für einen Sachverhalt ein logisches Gerüst zu finden bzw. zu zimmern, mit dem er in eine für den menschlichen Geist zufriedenstellende Ordnung gebracht werden kann, dann ist es offensichtlich paradox – bzw. nach der Wortwahl von Camus absurd –, mit dem Wissen der Ergebnislosigkeit des Nachdenkens, was eine Klärung anbelangt, sich gedanklich mit der Materie zu befassen. Um für die folgende Aussage den Camus'schen Mythos als Beleg heranzuziehen: das "Absurde" bzw. "Paradoxe" lässt sich nur phänomenologisch mit Hilfe exemplarischer Situationen, die die Condition humaine ausmachen, einkreisen und anschaulich darstellen.

    Was ist das Paradox des Sisyphus? Was treibt ihn – lässt man die mythologische Verkleidung, die Bestrafung durch die Götter, einmal beiseite – dazu, den Stein immer wieder von neuem den Berg hinauf rollen zu müssen? Ist es ein Gesetz, das lautet: Sillstand bedeutet Tod?

    Der Sisyphus von heute in einer Welt ohne Götter braucht keine himmlischen Mächte zur Erklärung seiner Situation, seiner Conditio, um für sich einen Sinn darin zu erkennen. Für ihn ist dieses Strebende Bemühen und die Hartnäckigkeit, trotz schein- barer Aussichtslosigkeit ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, wohl dem Ehrgeiz zuzu- schreiben, an den der Mensch gekettet ist und der von ihm fordert, an dem, was man erreichen will, festzuhalten, sein Ideal, das Bestreben, die Kluft zwischen ihm und dem Realen Sein zu verringern, nicht aufzugeben, da ein Aufgeben, das "Hinschmeissen", einer Niederlage und gleichzeitig dem Eingeständnis eines Scheiterns gleichkäme. Klaffen Vorstellung und Vermögen zu weit auseinander (es ist nicht schwer zu erraten, dass ich bei diesen Überlegungen meine eigene Conditio vor Augen habe), dann ist Resignation, womöglich nicht ohne einen kompensatorischen Gegenwert einer Überhöhung als einem Grandiosen Scheitern, ein sich anbietender "Ausweg".

  Ich erinnere mich an den Versuch eines einschlägig Erfahrenen, der den Einfall hatte, mit diesem Thema eine Art Event auf der Bühne, eine Show des Scheiterns zu veranstalten. Als sich eine Reihe von "Betroffenen" meldeten und sich zu der Veranstaltung einfanden, stellte sich schnell heraus, dass dieses Thema viel zu "heiss", zu sehr mit Emotionen aufgeladen war, dass eine Reihe der Anwesenden wohl in der Erwartung gekommen waren, endlich eine Bühne zu finden, um ihren Frust herauszulassen, und sie weit davon entfernt waren, dem eine komische Seite abzugewinnen, um daraus eine unterhaltsame Show zu machen.