Was bleibt dann übrig, wer ist man dann noch, für sich selbst, être pour soi,
oder auch für andere, être pour autrui (Sartre)? Folgerichtig ergibt sich daraus, dass
ich für niemanden mehr bin bzw. gewesen bin, der mit dem oben bezeichneten Ich in Beziehung
steht, das ich nur in der Distanzierung akzeptieren kann: was die Familie angeht, zuallererst und vor allem nicht
für die Mutter, von der ich mich – dies war der vielleicht radikalste Schritt zu einer Umorientierung weg
von den familiären Bindungen – bewusst abgewandt habe, als sie vor ziemlich genau vierzig Jahren, nach dem
Tod des Vaters, meine Nähe suchte. Des weiteren nicht für die Geschwister, zu denen ich schon seit einigen
Jahren keinen Kontakt habe; nicht für meine Nichte, als sie vor einigen Jahren den Kontakt zu mir suchte und ich
es ablehnte, mich mit ihr zu treffen. Und schliesslich ein Nicht für sie auch in zwei meine
nächsten Verwandten betreffenden Todesfällen: weder war ich zur Beerdigung der Mutter vor zwölf noch
bei der der Schwester vor einigen Jahren.
Dieses Fernbleiben musste sein; ebenso mein Zurückweisungs-Verhalten bei anderen Gelegenheiten, ich denke
an die Briefe von K., die ich fünfzehn bzw. dreissig Jahre nach unserer Trennung erhalten habe, auf die meine
Reaktion in einem Nicht mehr für dich da bestand: der erste enthielt, für mich ziemlich
verblüffend, eine verklärende Rückschau auf unsere gemeinsame Zeit, eine Art von virtueller Umarmung
mit Worten, jedoch ohne jede Andeutung eines Wunsches nach einem realen Wiedersehen. Ich habe darauf nicht geantwortet.
Ihren letzten Brief vor etwa vier Jahren hatte ich wie schon erwähnt nicht geöffnet und, nachdem er
für ein halbes Jahr ungelesen dagelegen hatte, vernichtet.
Hin und wieder tauchen Dinge bzw. Begebenheiten aus der Vergangenheit unerwartet wieder auf, bei denen ich mich doch
noch wiedererkenne. Am ehesten ist dies der Fall bei Begebenheiten, die in Beziehung zu Dr.A. stehen, so beispielsweise
als ich mich an den Film La Dentellière erinnerte, über den ich in einer Analysestunde
erzählt hatte, worauf er ihn sich, wie ich vermutete oder wie er durchblicken liess, mit seiner Partnerin, ebenfalls
ansah. Ich erinnere mich vage an seinen kritischen Kommentar zu dem in dem Film dargestellten Scheitern einer Mann-Frau
Beziehung, eine Bemerkung darüber, was der junge Schriftsteller in seinen Augen falsch gemacht hatte, was ich,
darauf lauernd, dass er damit mir etwas mitteilen wollte, auch gleich auf meine eigenen Fehler in meinen bisherigen
Beziehungen bezog.