Eine andere "Wiederbegegnung" war die mit dem Autor Horst Krüger, das heisst mit seiner mir
noch aus den Siebzigern vertrauten Rundfunk-Stimme, als im Radio ein über vierzig Jahre alter Feuilleton-Beitrag
wiederholt wurde, den ich nicht von damals kannte, die Beschreibung einer Reise auf den Spuren des Frühlings von
Portugal bis Potsdam.
An andere seiner Reiseberichte, die, wenn ich mich richtig erinnere, an einem regelmässigen Sonntags-Termin
gesendet wurden, kann ich mich erinnern: an eine Indien- sowie eine Ägypten-Reise beispielsweise, die er mit
einem Sinn für die Unvereinbarkeiten, die Paradoxien beschrieb: die Pünktlichkeit des Sikh-Taxifahrers,
der ihn zu den Sehenswürdigkeiten wie dem Tadj Mahal fuhr; dagegen das Chaos und die notorische
Unzuverlässigkeit, der er begegnete: das Aufrechterhalten des Schönen Scheins, wenn die Empfangsdamen im
Nobel-Hotel bei dem Versuch, eine Telefon- verbindung herzustellen, vorgaben, dass momentan kein Anschluss zu bekommen
sei, und es sich nach genauerem Nachforschen herausstellte, dass überhaupt kein funktio- nierendes Telefonnetz
vorhanden war. [Ich weiss nicht mehr, ob er diesen Bezug hergestellt hat, aber es drängt sich einem bei dieser
Beschreibung der Ausdruck kafkaesk geradezu auf.]
Oder, bei einem Besuch in Abu-Simbel, der Kontrast zwischen der Vorderansicht der Ramses-Statuen und dem
ernüchternden Blick hinter die Kulissen, wenn man nach wenigen Schritten auf die Beton-Konstruktion
stösst, die zur Versetzung der Tempel an den heutigen Standort nötig war. Es war dieser desillusionierende
Blick, der mich offenbar mit ihm verband und der mich in ihm einen Geistesverwandten sehen liess. Die Reise-Eindrücke
vom Anfang der Siebziger Jahre in dem oben erwähnten Radio-Beitrag, von Besuchen in Guernica
sowie in Altamira (als ich ungefähr zu derselben Zeit dort war, wurden noch Besucher in die
Höhle hineingelassen, was, soweit ich weiss, schon seit langem wie auch in Lascaux, nicht mehr
der Fall ist); des weiteren in den Schlössern an der Loire erinnerten mich an meine eigenen Fahrten als Anhalter
durch Frankreich, Spanien und Portugal etwa zu derselben Zeit, als ich vor der Flucht vor einer ungewissen Zukunft
war.
Es waren noch andere Umstände in seinem Leben, die zu meinem Interesse an ihm beitrugen. In einem autobiografischen
Buch berichtet er von seiner Jugend im Berliner Eichkamp, wo er in Nachbarschaft zu der Schriftstellerin
Elisabeth Langgässer auch deren Tochter kannte, die als Dreiviertel-Jüdin von ihrer Mutter nicht
vor dem KZ bewahrt werden konnte und die als Mengeles Versuchsobjekt Auschwitz überlebte (er berichtet, wie er sie
später in Schweden wiedertraf, wo sie nach ihrer Befreiung als Journalistin lebte); weiterhin das erschütternde
Miterleben des qualvollen Todes seiner Schwester, die sich durch die Einnahme von Quecksilber-Amalgam das Leben nahm.