Mein Arbeitsplatz, der sich in einem ständig künstlich beleuchteten Raum im Untergeschoss befand, war
ein Schreibtisch mit zwei Telefonen; mit dem einen nahm ich die von den Stationen eingehende Anforderungen,
Aufträge usw. entgegen und no- tierte sie auf Auftragsscheinen, die dann bis zur Erledigung vor mir auf dem
Tisch liegen blieben; mit dem anderen gab ich sie an die Kollegen weiter, die ich, falls sie im Haus unterwegs
waren, über ihren Piper erreichen konnte. Mir gegenüber sass ein Kollege vom Krankentransport in der
gleichen Funktion. Wir, d.h. die Telefonisten, hatten Schichtarbeit zu machen, jeweils sieben Tage Früh-
Spät- und Nachtschicht im Turnus, dazwischen gab es jeweils zwei bis drei freie Tage.
In der Nachtschicht war ich allein und hatte die Gänge selbst zu erledigen; des- gleichen der Kollege vom
Krankentransport. Er hatte die besondere Aufgabe, im Laufe der Nacht Verstorbene in die Pathologie zu transportieren,
wobei er dann meine Hilfe benötigte: zu zweit hoben wir die Toten, indem wir sie bei den Armen und Beinen
fass- ten, vom Bett auf eine Wanne. Das kam, wenn ich mich recht entsinne, im Schnitt etwa einmal pro Nacht vor.
An einige der Leichen, mit denen ich befasst war, kann ich mich heute, nach etwa vierzig Jahren, noch erinnern:
da war einmal der vielleicht neun- bis elfjährige Junge, und dann ein etwa 22-25jähriger Mann, athletisch,
braungebrannt, Opfer eines Verkehrsunfalls – es hiess, er wäre mit seinem Wagen bei hoher Geschwin- digkeit
gegen einen Baum geprallt –, dessen Beine mehrfach gebrochen waren und infolgedessen beim Anheben duchhingen
wie Gummischläuche.
Mein einziger Lichtblick war eine erneute Psychoanalyse, die ich bei Dr.A., den ich bei einem früheren
Krankenhausaufenthalt kennengelernt hatte, begonnen hatte. Man kann sagen, dass ich den Job in erster Linie machte,
um das Geld zu verdienen, von dem ich die Analyse – in der Anfangszeit brachte ich monatlich etwa 500 DM, das
war ungefähr die Hälfte dessen, was ich verdiente, für sie auf – bezahlen konnte. Dieses
Geheimnis der Analyse gab mir den Kollegen gegenüber ein Gefühl der Stärke, ein aus- geliehenes
Gefühl zweifellos, resultierend in einer Trotzhaltung, meine Lage als nur vorübergehend zu betrachten
und nicht wirklich einer von ihnen zu werden. Dieses Gefühl, durch die Analyse etwas Besonderes zu sein,
stellte sich in verschiedenen Situationen wiederholt ein, es hatte offensichtlich eine kompensatorische
Funktion.