Zweifellos hatte der Besitz und das Fahren eines Autos für mich damals neben der praktischen auch eine starke symbolische Bedeutung. Es beinhaltete: aktiv das Steuer in die Hand nehmen; zudem kam darin konkret zum Ausdruck, dass mein Leben Fahrt aufnahm, dass es voran ging, an erster Stelle mit dem Studium, das ich wieder- aufgenommen hatte und zwei Jahre später, mit 37, mit einem Diplom abschliessen konnte.

    Mein Urteil, dass der Wagen "sein Geld nicht wert war", traf zwar, materiell betrachtet, zu, war aber wohl nicht berechtigt, wenn ich die mit ihm unternommenen Reisen mit einbeziehe: nachdem ich die obige Schilderung der für mich nicht sehr schmeichelhaften Umstände des Kaufs dieses Wagens beendet hatte, stellten sich näm- lich Erinnerungen wieder ein, die mit ihm verbunden sind: so an eine weitere Urlaubs- fahrt über kleine Strassen quer durch Frankreich, durch die ländlichen, dünn besiedelten Gegenden der Auvergne, bis in die Pyrenäen, wo ich mich für vierzehn Tage in einem kleinen Hotel einquartierte, und daran anschliessend eine Fahrt durch Südfrankreich und entlang der Côte d'Azur und der Ligurischen Küste nach Rom, um mich mit S., meiner damaligen Freundin, zu treffen, die wie verabredet mit dem Flugzeug zu einem Kurz- besuch dorthin gekommen war. Gemeinsam machten wir eine Fahrt mit dem Wagen durch die Umgebung von Rom: Grottaferrata, Frascati, Castel Gandolfo, Palestrina, Tivoli. Hinzu kamen weitere gemeinsame Kurzurlaube, auf Fehmarn, im Harz, sowie in einer abgelegenen Pension in Oberfranken. In der Zeit danach, als ich kein eigenes Auto mehr besass, bin ich nur noch bei einigen wenigen Gelegenheiten Auto gefahren, so bei mehreren Urlaubsreisen mit einer späteren Freundin, bei denen wir uns am Steuer abwechselten.

    Die Art des Reisens, die ich in späteren Jahren, d.h. etwa ab vierzig, pflegte, sowie der Radius, innerhalb dessen ich meine Reiseziele auswählte, sagt einiges über mich aus; auch in ihr spiegelt sich eine Beschränkung auf das mir innerhalb meiner Grenzen Mögliche wider, das bestimmt ist von nicht mehr vorhandenem Drang nach Unbekanntem, von fehlender Lust auf Erlebnisurlaube in fernen Ländern sowie meinem reduzierten Kräfte-Haushalt. Ich habe nie Flugreisen in weiter entfernte Weltgegenden, etwa nach Nord- oder Südamerika, nach Südafrika, Ostasien oder Australien, gemacht. Meine Reiseziele in den darauffolgenden 30 Jahren spiegelten meinen Hang zum möglichst wenig veränderten Ablauf, mit jedesmal fast gleichen Reiserouten wider: es waren fast ausschliesslich Frankreich und Italien, wobei ich für die Fahrten in zu diesen beiden Zielen gewöhnlich den Zug benutzte, B.-Strassburg bzw. Genf-Lyon-Avignon einerseits, B.-München-Bologna andererseits, um dort, in Südfrankreich bzw. in Italien, in Umbrien oder den Marken, zwei- bis dreiwöchige Wanderungen mit Rucksack und Zelt zu unternehmen.