Unser endgültiger Abschied in der U-Bahn. Schon die letzten ein-zwei Tage hatte ich, nachdem die ersten Tage geprägt waren von einer leicht euphorischen Erregung, vermischt mit unterschwelliger Angst, auf die bevorstehende Trennung mit dem mir eigenen vegetativen Tonus-Abfall, der sich in einem Gefühl von Beklommenheit und Verschlossenheit äusserte, reagiert. Abgekapselt in Groll und Ressentiment begleitete ich sie, vermutlich schweigend, zum nächsten U-Bahnhof – ich hatte ihr nichts mehr zu sagen, ausser dass ich sie nicht mehr bis zum Zug bringen würde, sondern mich hier auf dem Bahnsteig von ihr verabschieden wolle. Ehe ich mich umdrehte, um zu gehen, brach sie noch in Tränen aus: es waren wohl eher Tränen der Enttäuschung und des Unmuts darüber, dass unser letztes Zusammentreffen mit einem solchen Missklang endete. Ich habe meine Unfähigkeit, unserem Abschied eine Atmosphäre heiterer Gelassenheit zu geben, stattdessen mit negativen Äusserungen von Enttäuschung, von Groll, Regungen des Zu-kurz-Gekommenen, dazu beitrug, die letzten Augenblicke zu vergiften, als eine weitere Niederlage, als einen Mangel an Persönlichkeit, an Souveränität empfunden.
In meiner Verbitterung und Enttäuschung fehlte mir wohl jedes Verständnis dafür, wie schwer auch ihr dieser als endgültig vollzogene Abschied – sie kündigte mir an, dass sie sich nicht mehr melden werde – fiel. Ein wenig hatte ich allerdings den Verdacht (der sich vielleich auch erst später in einem gewissen Abstand einstellte), dass sie dieses letzte Treffen hauptsächlich zu ihrem eigenen Seelenheil inszeniert hatte, als eine Gelegenheit, um sich von mir abzustossen .
Es waren dieser Schicht-Dienst und insbesondere die Nachtdienste, die sich auf die Dauer immer belastender auf
meine psychische Konstitution auswirkten (eine ähnliche gesteigerte Reizbarkeit glaubte ich auch bei anderen
Nachtschicht-Arbeitern zu beobachten); ich fühlte mich mehr und mehr ins Abseits gestellt; da mein
Lebens- rhythmus nicht synchron mit dem meiner Umgebung verlief, von der Teilhabe am allge- meinen Leben
ausgeschlossen – wobei sich allerdings eine bereits vorhandene Grund- befindlichkeit nur noch verstärkte
und meinen Hader angesichts meiner als unerträglich empfundenen Lebenssituation weiter steigerte. Ich geriet
zunehmend in einen inneren Zwiespalt, wollte einerseits den Job aufgeben, war aber wegen der Notwendigkeit,
das Geld für die Analyse aufzubringen, an ihn gefesselt, und konnte es daher nicht, solange ich nichts
anderes an seiner Stelle gefunden hatte.
Auch die Analyse geriet nach etwa einem Jahr in eine Sackgasse, und als es in meinem Job zu einer krisenhaften
Zuspitzung meiner Lage kam, die "das Fass zum Überlaufen" brachte – ich sollte dazu verpflichtet
werden, während der Nachtdienste auch mit septischen Leichen umzugehen, andernfalls ich den Job mit dem
obliga- torischen Schicht-Dienst nicht mehr machen könne –, zog ich die Konsequenzen: ich
kündigte. Etwa gleichzeitig brach ich auch die Analyse ab: ich blieb der vorgesehenen Sitzung fern, ohne
meine Absicht vorher anzukündigen; nichts sollte mich von diesem Vorgehen, das ich als einen doppelten
Befreiungsschlag empfand, abhalten.