Anm.: Es sind, in Ermangelung konkreter Erinnerungen an das damalige Analyse-Geschehen, heutige Assoziationen; in der Übertragungs-Bedeutung werden offenbar meine Mutter und die Analytikerin mit ihren Patienten-Kindern gleichgesetzt: als dominierende Frauen. Aus heutiger Distanz sehe ich in dem Traum auch eine Anspielung auf die Erfahrung bei Kriegsende Anfang 1945 – ich war drei Jahre alt –, auf die Sorge unserer Mutter bei unserer Flucht aus Schlesien, uns, mich und die Geschwister, bei den Fahrten mit den Flücht- lingszügen zusammenzuhalten, damit keines bei den chaotischen Zuständen, in den Menschenansammlungen "verlorenging", sowie die folgenden, bis zu meinem sechsten Lebensjahr ohne den Vater verbrachten Jahre.
Zu obigen Überlegungen hatte wohl der Gedanke geführt, dass ich mich nicht erinnern kann, dass
in meinen Analysen, weder in dieser noch in der zweiten bei D.A., meine Vergangenheit, mein Erleben bei Kriegsende
– an das ich allerdings keine eigenen Erinnerungen habe, nur die an das, was die Mutter erzählt hat: wie
ich am Tag unserer Flucht die beim Näherkommen der russischen Armee (auf dem Rückzug?) vorbeirollenden
deutschen Panzer beobachtete, dann die Fahrten mit dem Zug quer durch Deutschland, vorgesehen war über
Dresden, das aber gerade in der Nacht bzw. am Tag zuvor bombardiert worden war, nach Oesterreich und, nach einem
mehr- monatigen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager, nach Hamburg – zur Sprache kam, sie tauchte
anscheinend nicht in Assoziationen auf oder wurde bewusst von mir ausge- klammert.
Wie sehr ich durch die Erlebnisse der Flucht, die Erfahrungen von Hunger und Kälte, möglicherweise
traumatisiert worden bin – den Winter habe ich schon in meiner Jugend so sehr verabscheut, dass ich davon
träumte, in einem südlichen, wärmeren Land zu leben –, dringt erst seit einiger Zeit
deutlicher in mein Bewusstsein.
Es ist wenig, was mir aus dieser Anfangszeit der Analyse in Erinnerung geblieben ist. Zweimal wöchentlich
fuhr ich etwa 20 Minuten mit dem Bus zur Analyse, lief, wenn ich zu früh war, in der R.Strasse, wo sich in
einem Altbau zwischen normalen Wohnblocks in der Nummer 21 (diese Zahl tauchte dann auch in Träumen auf)
die kleine psychiatrische Abteilung einer grossen Klinik mit der Dienstwohnung der Analytikerin befand, noch
eine Weile auf und ab, um dann die Treppe zum dritten oder vierten Stock hochzusteigen (sie hat später
zweimal die Wohnung gewechselt). Zu den wenigen vagen Eindrücken, die von der Einrichtung des Zimmers, der
Couch, ihrer Position hinter mir in meinem Gedächtnis erhalten geblieben sind, gehört der von den auf
einem Bord aufgestapelten Aktenordnern in unterschiedlichen Farben mit ihren Aufzeichnungen zu den Patienten.
Einige Male bekam ich einen von ihnen zu Gesicht; einmal liess sie mich herein, als sie sich im Flur gerade von
einer jungen Studentin verabschiedete, die mir schon bei studentischen Versammlungen aufgefallen war, und von der
ich nicht vermutet hätte, dass sie ebenfalls psychoanalytischen Beistand benötigte.
[Dieser Gedanke verdeckte vermutlich die Wunschvorstellung, dass ich hier, da sie in dieser besonderen
Situation nicht mehr die Unerreichbare war, gewissermassen unter der Schirmherrschaft der Analytikerin in Kontakt
mit ihr kommen könnte.]