Mein Leben nach der letzten Analyse war geprägt durch häufige Erkältungen, Bronchitis, Kurzatmigkeit und Tonusverlust, von vegetativen Erschöpfungszuständen mit beeinträchtigter Motorik – häufig konnte ich nach ein paar hundert Metern wegen Verkrampfungen u.a. der Bauchmuskulatur nicht weitergehen – und von Erholungs- phasen, in denen ich mit Einschränkungen in der Lage war, Erledigungen und Besorgungen wie Einkäufe zu tätigen, um Vorräte für die Zeit anzulegen, in der ich die Wohnung nicht verlassen würde. Einige Wochen lang versuchte ich nachts die in meiner Brust steckende Bronchitis, auf die ich wie gegen einen Feind in meinem Innern eine Wut entwickelt hatte, aus mir herauszuhusten; dabei lief ich im Zimmer auf und ab, was unweigerlich die Erinnerung an die Wanderungen in der Zwei-Manns-Zelle des Stasi-Gefängnisses weckte, in der ich über zwanzig Jahre zuvor fünf Monate, zeitweise gemeinsam mit einem Mit-Häftling, verbracht hatte.

    Angesichts solcher massiver Beeinträchtigungen und mit der Aussicht auf ein Leben als Invalide lag es auf der Hand, dass wieder verstärkt Gedanken an einen Suizid auftraten, dazu konkrete Überlegungen, wie ich ihn ausführen wollte: nämlich mich in einer kleinen fensterlosen Kammer, die ich abgedichtet hatte, zu betäuben und den Tod durch Sauerstoffmangel herbeizuführen. Es war die Angst vor einem Fehlschlag und wohl auch die fehlende gegen mich selbst gerichtete Agressivität, die zu einem solchen Schritt erforderlich war – "Der bringt sich nicht um!" –, was letztlich den Ausschlag dafür gab, dass ich den Suizidversuch abbrach und ich von da an keine ernsthaften Suizidabsichten mehr hegte.

    Bei der Darlegung der Tiefen, die mein späteres Leben überwiegend bestimmten, beschäftigt mich ein Gedanke, der mir ein gewisses Unbehagen bereitet: ich meine das scheinbare Missverhältnis zwischen dem Aufwand, den ca. zehn Jahren Analyse allein bei D.A. (die Analyse bei F.R. hinzugenommen, komme ich schätzungsweise auf insgesamt mehr als eintausend Stunden) und dem Resultat, dem, was durch diese extrem lange Behandlungsdauer letzten Endes bewirkt worden ist, welche nachhaltige Verbesserung sie hinsichtlich meiner psycho-physischen Befindlichkeit letztlich für mein späteres Leben gebracht hat; – was dem gegenübersteht: der Hochschulabschluss, ein Status-Gewinn, neuerdings auch spezielle Beachtung im Internet (wer mich googelt, findet dort einen Eintrag über meine vierzig Jahre zurück liegende Arbeit), sollte jedoch ein Grund sein, Dankbarkeit zu empfinden und das grosse Glück, das ich hatte, zu schätzen.

    Mein Leben: am Rande der Gesellschaft, zwar nicht in völliger Isolation, doch ohne Partnerin oder sonstige mir wirklich nahestehenden Menschen. Ein Gedanke ist, dass ich diese Erinnerungen aufschreibe, weil es keinen vertrauten Menschen gibt, mit dem ich über diese Erfahrungen sprechen könnte – um es einfacher zu sagen: keinen, der IHM, D.A., gleichkommt! So geht mit dem Niederschreiben meiner Erinnerungen natürlich auch eine Wieder-Vergegenwärtigung seiner Person einher.