Es sind unter anderem einige Träume, die sich bis heute, vierzig Jahre nach der Analyse, noch in meinem
Gedächtnis erhalten haben, denn meinen Träumen habe ich spätestens seit der Lektüre von Freuds
Traumdeutung immer Beachtung geschenkt; ich habe irgendwann auch angefangen, sie aufzuschreiben.
Ihre Deutung – nach Freud die Via regia, der Königsweg der Psychoanalytischen Methode
– spielt in einer Analyse eine zentrale Rolle. Aber über die Traumanalyse und die mit ihr angestrebte
innere Klärung hinaus spielte für mich in meiner prekären Lebenssituation mit ungewisser Zukunft
zunächst einmal eine wesentliche Rolle, ob im realen Leben Fortschritte, Veränderungen zum Besseren
erkennbar waren; an ihnen machten sich mein Vertrauen in die Analyse, mein "Glauben" an einen Erfolg, entscheidend
fest.
In dieser ersten Analyse bei F.R. war das vordringliche Problem mein Verhältnis zu Frauen, sprich meine
Unfähigkeit, eine sexuelle Beziehung aufzunehmen, und es erwies sich natürlich als ein glücklicher
Umstand für den Fortgang der Analyse, dass ich diesem Ziel bereits nach einem halben Jahr einen Schritt
näher kam, als ich im Sommer bei einer Urlaubsreise in Frankreich Lilly, eine zwanzigjährige
Französin, kennenlernte, die sich mit dem Gedanken trug, mit einem Aufenthalt in Deutschland ihre
Sprach- kenntnisse zu verbessern. Es ergab sich, dass sie gern zu mir nach B. kommen wollte.
Doch ging, bevor unsere Beziehung Realität wurde und sie für ein paar Monate nach B. kam, bei mir
wohnte und ich mit ihr meine ersten sexuellen Erfahrungen hatte, ihrem Kommen eine mehrmonatige mittels Briefen
aufrecht erhaltene "Fernbeziehung" voraus. Der Umstand, dass diese Phase des Austauschs von Briefen als Mittel
der Annäherung und eines – doch im wesentlichen fiktiven – Kennenlernens und miteinander
Vertraut- werdens in die Analyse eingebettet war, versetzte mich vermutlich erst in die Lage, diese Zeit und die
auftretenden kritischen Momente, von denen ich noch zu berichten habe, mit Irritationen bis hin zu
Missverständnissen, die leicht zu einem Abbruch unserer Kontakte hätten führen können,
durchzustehen.
Es sind nur Bruchstücke, scheinbar nichtssagende Erinnerungsfetzen, die – abge- sehen von einigen
recht deutlichen Träumen – aus der Anfangszeit dieser Analyse bei F.R. in meinem Gedächtnis
erhalten geblieben sind. Nur noch vage Eindrücke habe ich von dem Inneren der Wohnung, von ihrem Zimmer,
der Einrichtung, der Couch, auf der ich, streng nach dem psychoanalytischen Setting, gelegen
habe. Ich denke, ich war wohl so sehr von meinem seelischen Zustand absorbiert, der Blick so sehr auf mein
Inneres gerichtet (mit dem Genauen Hinsehen und dem Festhalten visueller Eindrücke habe ich allem Anschein
nach ein spezielles Problem, über das ich gelegentlich gegrübelt habe), dass ich für meine
Umgebung kein Auge hatte.