Mit diesem Bericht will ich versuchen zu vermitteln, dass ich – mit den mir vorgegebenen Einschränkungen, die letztlich in den beiden Analysen, von denen ich hier berichte, nur begrenzte Erfolge zuliessen – das mir Mögliche erreicht habe, auf jeden Fall mehr, als ich unter den ungünstigen Bedingungen meiner Conditio, einer überwiegend psychosomatisch bestimmten Symptomatik, ohne die Analysen in meinem Leben erreicht hätte. In Anbetracht dessen, wie mein Leben danach ausah: am Rande der Gesellschaft ohne Berufschancen und zeitweise von Sozialhilfe lebend – ohne Partnerin oder sonstige vertraute Menschen in weitgehender Isolation –, die Aussage zu treffen, durch die Analysen sei mir ein Stück Leben ermöglicht worden – ein Paradox!?

    Auf der Suche nach dem, was die Bedeutung der Psychoanalysen für mein Leben ausgemacht hat, vergegenwärtige ich mir jene Zeit vor vierzig Jahren, in der es nur in Abhängigkeit von ihnen weiterzugehen schien und ich gewissermassen an sie wie an eine Versorgungsstation über eine Rohrleitung angedockt hatte (wie es einmal in einem Traum bildlich dargestellt wurde), von der ich zeitweise den Antrieb und die Energie für eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit bezog. Wie sich erwies, war ich nicht zum Selbstmord fähig: "Der bringt sich nicht um!" – eine Bemerkung, die D.A. einmal über einen Patienten, der sich mit Suizidgedanken trug, machte und die ich als auch auf mich gemünzt auffasste –, und bin nun in einem Alter, das ich zu bestimmten Zeiten eigent- lich nicht erleben wollte. Das Thema Selbstmord beschäftigte mich doch, angefangen mit der Lektüre von Camus' "Mythos von Sisyphos, ein Versuch über Das Absurde", seit meiner Schulzeit, und mein Leben war über eine lange Zeit vom Gedanken an den Suizid als einem sich bietenden Ausweg beherrscht, ja ich kann sagen, dass er eine Art Trost für mich bedeuteten.

    Schon in den letzten Schuljahren vor dem Abitur, die ich, katholisch erzogen, in einer westdeutschen Kleinstadt verbrachte, hatte ich mich von der Religion abgewandt und mich vom existenzialistischen, überwiegend pessimistischen Lebensgefühl, wie es mir durch Romane und Abhandlungen vor allem von Camus in Der Fremde und im Mythos von Sisyphos, und dann auch von Sartre ("L'enfer, c'est les autres") in Die Wege der Freiheit vermittelt wurde, vereinnahmen lassen und begonnen, mich für die Psychoanalyse zu interessieren und Freud zu lesen, das, was als Fischer-Taschenbuch erhältlich war: den Abriss der Psychoanalyse, die Drei Abhandlungen, die Psychopatho- logie des Alltagslebens, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Totem und Tabu und, wohl erst später, auch die Traumdeutung.

    Dann in Berlin, als ich schon zunehmend in eine Krise abgerutscht war, verbrachte ich meine Zeit unter anderem damit, die Psyche und darin mit besonderem Interesse die psychoanalytischen Falldarstellungen zu lesen. So liess ich mir in der Amerika-Gedenkbibliothek die gebundenen Jahresbände vorangegangener Jahre aus dem Magazin kommen. Angesichts dieser von mir zunehmend als ausweglos erlebten Lebenssituation, in der meine Gedanken darum kreisten, wie ich da herauskommen, welche Lösung es für mein existenzielles Problem geben könnte, gelangte ich dahin, meine ganze Hoffnung auf die Psychoanalyse zu setzen.