Weiterhin – das war wohl etliche Jahre später – beschäftigte ich mich mit Rousseau: seinen Confessions sowie den Rêveries du Promeneur solitaire, von denen ich einige Kapitel übersetzte.
Aus dieser Schrift haben sich vor allem zwei Sätze in meinem Gedächtnis erhalten: der Anfangssatz "Me voici donc seul sur la terre ...", sowie dieser: "... ne trouvant plus d'aliment pour mon coeur, je m'accoutumais à le nourrir de sa propre substance". Diese beiden Feststellungen schienen mir am treffendsten seine Selbst-Stilisierung als Alleingelassener und von der Welt Unverstandener, dem nichts anderes übrig bleibt, als nur noch von sich selbst zu zehren, zum Ausdruck zu bringen (eine Bemerkung meines Analytikers hat sich in mein Gedächtnis eingegraben: er hatte mich einmal als einen Selbstverzehrer bezeichnet).
Bei diesen Übersetzungsarbeiten war zwar der Hintergedanke, mich später auch professionell als
Übersetzer zu betätigen, vorhanden, doch als blosses Gedankenspiel ohne konkrete Schritte zu einer
Umsetzung. Tatsächlich hatte ich vor einigen Jahren bereits einmal mit einer Übersetzungsarbeit, dem oben
erwähnten Projekt im Auftrag des Wagenbach-Verlags, zu dem ich eher zufällig durch
Beziehungen hinzugezogen worden war, etwas Geld (drei- oder vierhundert D-Mark) verdient.
[Die von den Beteiligten abgelieferten Übersetzungen dienten übrigens nur als Vorlage für die
endgültige Fasssung des Textes, der dann, von einem Profi überarbeitet und vereinheit- licht, als
Taschenbuch erschien.]
Ich registrierte mit Interesse, wenn über die Arbeit von Übersetzern – so erinnere ich mich
z.B. an eine Besprechung einer Neu-Übersetzung des Ulysses im SPIEGEL – berichtet wurde.
Doch war die Aussicht, das Übersetzen, das ich frei von Zwängen nebenbei betrieb, zur hauptsächlichen
Tätigkeit zu machen, eher abschreckend, und ich habe nie etwas unternommen, um mit einem Verlag in Kontakt zu
kommen.
Die beiden genannten Bücher, an deren Übersetzung ich mich versucht hatte (Le
Traître und La Dentellière), sind einige Zeit später auch auf deutsch
erschienen, und von den Rêveries existierte vermutlich längst eine deutsche
Übersetzung, worum ich mich jedoch nicht kümmerte; meine hauptsächlich an Wochenenden ausgeübte
"Nebentätig- keit" an der Schreibmaschine erfüllte ja ihren Zweck als Kompensation, als ein Gegengewicht
zu meinen im Labor verbrachten Arbeitstagen.