Es ist naheliegend, in der von mir so erlebten Ähnlichkeit von S. mit meiner Mutter eine Form von Übertragung zu sehen, wobei allerdings von einer Übertragung im strengen Sinn nur in einer Analysesituation gesprochen wird. Ich erlebte die Ablehnung durch S. als eine Wiederholung traumatisch erfah- rener narzisstischer Kränkungen bereits in frühester Kindheit, die infolge der Abwesenheit des Vaters ganz und gar von der Mutter dominiert war und daher geprägt von ihren Einschränkungs- und Kontroll-Massnahmen sowie ihrem Zurückweisungsverhalten.
Was die übrigen Mitbewohner betraf, so waren alle in geregelte Lebensabläufe eingebunden – im
Gegensatz zu mir, der angesichts fehlender Zukunfts-Perspektive da nicht recht hineinpasste. Zwar hatte ich zu
einem von ihnen, einem Dozenten an einer Pädagogischen Hochschule, ein recht freundschaftliches Verhältnis;
doch da die Haltung von S. ausschlaggebend war und das Gefühl, nicht mehr erwünscht zu sein, mir das
Leben in der WG unerträglich werden liess, zog ich schliesslich aus.
Ich war aus der WG ausgezogen, ohne eine eigene Wohnung zu haben, und fand zunächst für eine kurze Zeit
Unterschlupf bei einem eher flüchtigen Bekannten. Die Verfassung, in der ich mich befand, war bestimmt von
Ressentiment und Groll, wohl auch Selbstmitleid, gegründet auf dem Gefühl, mit der übrigen Welt
nichts mehr gemein zu haben, gar aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschieden zu sein. Das äusserte sich
beispielhaft in meinem Verhalten bei einer zufälligen Begegnung auf der Strasse mit dem erwähnten mir
wohlgesonnenen Hochschuldozenten. Auf seine teilnahmsvolle Nachfrage, wie es mir ginge und was ich so machte,
konnte ich ausser einem "Hallo" und einem kurz angebundenen "jaja es geht so" kein weiteres Wort mit ihm wechseln,
sondern liess ihn recht abrupt stehen. Ich war damals unfähig, Anteilnahme oder gar Hilfsbereitschaft zu
akzeptieren; dazu hätte ich dem anderen gegenüber meinen Zustand der Hilflosigkeit eingestehen
müssen.
Hier drängt es mich zu einer analytischen Interpretation, die zum Verständ- nis meines inneren Rückzugs und der Abkapselung die Psychodynamik der Identifizierung mit dem Agressor, von S.Ferenczi in die Psychoanalyse einge- führt, in einer abgewandelten Form heranzieht: als Verinnerlichung des Zurück- weisers; eine Formulierung, die später in der Analyse, als ich, abgeleitet von der Versagung, die missverständliche Formulierung "Verinnerlichung des Versagers" gebraucht hatte, von Dr.A. gefunden wurde; auf die durch S. erfahrene Zurückweisung reagiere ich, indem ich mir letztere aneigne und selbst zum Zurückweiser werde; woraus mein zwanghaftes Zurückweisungs- Verhalten resultierte, das ich meiner Umgebung gegenüber an den Tag legte.