"Wer die Gefahr sucht, kommt darin um!" –
                                    Nun, für dich ging es doch noch recht glimpflich aus


    Der 2.Juni 1967. Im Fernsehen wurden in den letzten Tagen, um den 2.6. herum, Dokumentationen gezeigt, mit Bildern von den Studenten-Demonstrationen, so auch von denen beim Schah-Besuch in Berlin vor fünfzig Jahren. Als Bilder von dem Polizei-Einsatz vor der Deutschen Oper gezeigt wurden, suchte ich unwillkürlich, ob ich unter den Demonstranten vielleicht mich entdecken würde. Ich hatte mich damals auch in dem Abschnitt auf der gegenüberliegenden Strassenseite befunden, der später als "Leberwurst" bezeichnet wurde, in die man, d.h. die Polizei "in der Mitte hineinstach, um sie nach beiden Seiten auszudrücken". Ich hatte damals, als ich wie die anderen Demonstranten durch das Spalier von knüppelschwingenden Polizeibeamten hindurch musste, einen Schlag mit einem Schlagstock auf den Kopf abbekommen und war von Fremden in ein nahegelegenes Krankenhaus gefahren worden, wo man eine leichte Gehirnerschütterung konstatierte. Ich verliess das Krankenhaus nach ein paar Tagen auf eigenen Wunsch, und um mich zu erholen verbrachte ich einige Zeit in der Wohnung meines Studienfreundes W. Als jedoch später nachträgliche Beschwerden wie Gleich- gewichtsstörungen und ein leichter Drehschwindel auftraten, begab ich mich erneut in ein Krankenhaus.

    Es schloss sich ein mehrwöchiger Klinik-Aufenthalt an, bei dem ich zunächst wegen der vegetativen Symptomatik, des labilen Kreislaufs und der Durchblutungs- störungen, behandelt wurde. Um Kreislauf und Durchblutung anzuregen, bekam ich kalte Abspritzungen mit dem Wasserschlauch, und von einer Oberärztin, Dr.K., erhielt ich eine Unterweisung im Autogenen Training. Es wurde jedoch mehr und mehr klar, dass ich mich in einer Depression befand, und in Gesprächen mit dem Psychotherapeuten Dr.A. wurde mir nahegelegt, dass ich mich in psychotherapeutische Behandlung begeben sollte, um meine Antriebsstörungen, den Verlust an Lebensfreude und deren Ursachen anzugehen.

  Als lange Zeit später in meiner Analyse bei Dr.A. in einer Sitzung einmal die Sprache auf diese mit einem grossen Busen ausgestattete Dr.K. kam, fragte er mich, ob ich sie in meiner Phantasie denn auch einmal nackt ausgezogen hätte; was mich, da dies aufgrund meiner damaligen Gehemmtheit infolge meiner Erziehung und der Tabuisierung alles Sexuellen kaum vorstellbar war und ich dieses Unvermögen als einen Mangel an Männlichkeit empfand, verlegen machte. [Ich hatte einmal mit etwa dreiundzwanzig füreine oder zwei Sekunden die Mutter mit entblösster Scham gesehen, als ich unvermittelt die Tür zum Schlafzimmer der Eltern öffnete: das war etwas, das nicht sein durfte.]

    Ich habe übrigens später für die bei der Schah-Demonstration erlittene Verletzung ein Schmerzensgeld (achthundert oder eintausend D-Mark, wenn ich mich recht erinnere) erhalten.