Ich hatte mir das Geld nach Aix-en-Provence anweisen lassen, und so brach ich nach ein paar Tagen dorthin auf, wo ich es im Postamt ausgezahlt bekam. Erleichtert darüber, dass diese unsägliche Episode damit beendet war, brachte ich den Mut zu der bereits erwähnten Wiederbegegnung mit C. auf. Es zeigte sich einmal mehr, dass es mir in der Ausnahmesituation des Urlaubs leichter fiel, Frauen gegenüber initiativ zu werden, und ich mich zu Aktionen traute, die mir wegen der zu hohen Hemmschwelle normalerweise unmöglich waren. Ich wusste nur, welches Ausbildungs-Institut C. be- suchte, es handelte sich wohl um ein Internat, in dem sie auch wohnte. Am Eingang sprach ich eine Gruppe junger Mädchen an, um sie nach C. zu fragen. Diese war völlig überrascht von meinem Erscheinen, aber offensichtlich geschmeichelt, es bedeutete sicherlich einiges Prestige ihren Kameradinnen gegenüber, dass sich ein type für sie interessierte. Wir verabredeten uns für den Abend, und ich versuchte mich wohl mit einem recht ungeschickten Annäherungsversuch, dem sie mit einem trockenen "Je n'aime pas flirter" ein Ende machte. Für mich bedeutete diese Begegnung eine weitere unerfüllte Annäherung an eine Frau, als ich nach dem mit ihr verbrachten Abend die Heimreise antrat. Wir tauschten noch einige Briefe aus, auch hat sie mir ein Text-Buch mit Chansons von Georges Brassens zugeschickt.

    Die Versuche, Frauen kennenzulernen. Da gab es in B. verschiedene Veranstal- tungsorte, Tanz-Schuppen, die ich hin und wieder, in der Regel mit G., meinem wichtig- sten Mit-Streiter im Studium, genauer gesagt, als sein Begleiter, besucht habe: das Old Eden in der Damaschkestrasse, das Riverboat am Fehrbelliner Platz, dann die legendäre Eierschale (in der ich, wenn ich mich recht entsinne, nur ein einziges Mal gewesen bin), schliesslich noch das Big Apple. Andere potentielle Gelegenheiten waren noch diverse Fêten wie z.B. die Faschingsfete der Kunst-Hochschule "nebenan", d.h. direkt neben der Technischen Uni gelegen. Meistens lief es so ab, dass ich irgendwo an der Seite stand, vermutlich ein Glas in der Hand, und dem Treiben zuschaute, ein Zaungast. Habe ich jemals auch getanzt? In der Zeit, die ich hier vor Augen habe, mit Sicherheit so gut wie nie; doch gab es irgendwann eine kurze Phase, in der ich mich ziemlich wild beim Tanz verausgabt habe, bis mir nach recht kurzer Zeit die Puste wegblieb.

    An eine private Fete erinnere ich mich deshalb, weil ich auf ihr für einen kur- zen Augenblick mit einer Frau ins Gespräch gekommen war, einer Medizinstudentin – bis F., der Bekannte, der mich wohl zu der Fete mitgenommen hatte (er war, in einem höheren Jahrgang, an demselben Gymnasium gewesen wie ich) mit ihr Bekanntschaft machte, wobei sie sich offensichtlich gleich näherkamen. So hat sich die Situation recht schnell in der Weise geklärt, dass nur F. für sie in Frage kam und ich kein ernst- zunehmender Konkurrent war. Ich war an dem Abend Zeuge geworden, wie er seine spätere Frau kennengelernt hat. Ich erinnere mich noch, wie er eine Flasche Rotwein, die für ihre anschliessend geplante Zweisamkeit gedacht war, mitgehen liess, indem er sie unter seinem Mantel versteckte. Wegen meiner Schüchternheit ist es auf derartigen Tanzveranstaltungen und Vergnügungen so gut wie nie dazu gekommen, dass ich eine Frau ansprach; im Gegensatz zu G., der darin wohl schon zu Schulzeiten eine gewisse Routine entwickelt hatte und der mir etliche Male vormachte, wie es geht.