Nach meiner Haftentlassung nach B. zurückgekehrt, wohnte ich einige Semester in einem von der Katholischen Kirche unterhaltenen Studentenwohnheim mit Bewohnern verschiedener Nationalitäten. Nach meinen Beobachtungen wurden die ungeschrie- benen Regeln, was die Kontakte zwischen den Geschlechtern betraf, nicht streng eingehalten und konnten wegen der Weitläufigkeit des aus zwei Flügeln bestehenden Gebäudekomplexes auch gar nicht effizient kontrolliert werden, mit der Folge, dass dort recht lockere, von der katholischen Moral nicht tolerierbare Sitten eingerissen waren. [Einige Jahre später ist das Haus, möglicherweise auch aus diesem Grund, als Studentenwohnheim geschlossen worden.] Ein nigerianischer Nachbar beispielsweise, mit dem ich mich angefreundet hatte, bekam regelmässig Besuch von seiner deutschen Freundin (sie haben später geheiratet und hatten Kinder), ich dagegen war unfähig, Kontakte mit Studentinnen herzustellen, was unter den erschwerten Bedingungen einer Technischen Universität, an der zur damaligen Zeit die Studenten überwiegend männlich waren, eher ein Glücksfall war.

    An einen einzigen Kontakt mit einer jungen Frau, einer Italienerin (sie war keine Studentin, sondern war in irgendeiner Firma angestellt bzw. gab dies jedenfalls vor) kann ich mich erinnern, jedoch machte meine Gehemmtheit es mir unmöglich, weiter zu gehen als nur Küsse mit ihr auszutauschen. Jedenfalls stiess ich hier auf eine unüberwindliche Schranke, was in meinem Erleben einer Niederlage gleichkam. So blieb es bei einigen gemeinsamen Unternehmungen wie Spaziergängen oder Ausflügen, ohne dass mehr passierte als die oben geschilderten bei einem Zusammensein in ihrem Zimmer ausgetauschten Intimitäten..

    Als verschärfendes Moment schien mir noch hinzuzukommen, dass ich an einem Punkt durch ihr passives Verhalten – weder gab sie mir zu verstehen, dass sie nicht weitergehen wollte, noch ermutigte sie mich dazu – irritiert war, was mich wegen meiner Unerfahrenheit in Hilflosigkeit erstarren liess Dieses Gefühl des Versagens überwog völlig das Positive – dass ich, indem ich mit einer Frau in einen intimeren körperlichen Kontakt bis hin zu Küssen gekommen war, immerhin einen kleinen Schritt vorwärts getan hatte – und liess keinen Ansatz zu einer Lernfähigkeit, einer Motivation zu erneuten Versuchen aufkommen, um weitere Erfahrungen zu machen; mein Drang zum Rückzug wurde eher noch verstärkt.

  Hier noch ein Gedanke aus heutiger Sicht: Nach meinen Jahre später gemachten, in die Psychoanalyse eingebetteten Erfahrungen war es vor allem die mangelnde Phantasie, die mich im Verlauf des Austauschens der Zärt- lichkeiten scheitern liess: das Fehlen dessen, was mein Analytiker Dr.A. das Vorphantasieren genannt hat: an einem bestimmten Punkt war nur noch Leere im Kopf; da keine Phantasie bereit stand, was weiter geschehen sollte, nur eine dumpfe Erwartung, dass die Initiative von ihr ausgehen müsste. Im Übrigen war auch völlig unklar, welche sexuellen Erfahrungen sie bereits hatte, da es undenkbar war, dass ich Sexuelles direkt angesprochen hätte.