Diese Krankenhaus-Episode hat mich wohl endgültig aus der Bahn geworfen, und ich habe mein Studium, das mir vorher schon etwas entglitten war, praktisch nicht mehr ernsthaft fortgeführt. Es war die Zeit der Studentenbewegung; schon am Abend vor der Anti-Schah-Demonstration hatte es ein Meeting im Grossen Hörsaal der FU gegeben, dem später noch etliche folgten. Ich meine auch Rudi Dutschke erlebt zu haben – was ihn betrifft, kann ich mir allerdings nicht sicher sein, ob sich meine Erinnerungen nicht mit späteren Bildern aus dem Fernsehen vermischt haben –; auch an eine Podiums- diskussion mit Herbert Marcuse glaube ich mich zu erinnern. Im darauffolgenden Jahr dann die Osterunruhen, die Demonstration am Springer-Haus, die ich – zusammen mit Studienfreund W., wenn ich mich recht erinnere – miterlebte.

   Während meines Klinikaufenthalts war mir nahegelegt worden, eine Therapie zu machen, und so befand ich mich seit meiner Entlassung Anfang des Jahres 1968 in psychoanalytischer Behandlung. Im Bemühen, den Kontakt zu den Geschehnissen der Aussenwelt, den von der 68er Studentenbewegung geprägten Aktivitäten aufrecht zu er- halten, ging ich zu studentischen politischen Versammlungen wie den Veranstaltungen, die im Rahmen des Vietnam-Kongresses im Audimax der TU stattfanden; dabei fühlte ich mich in der Menge als nicht wirklich dazu gehörend, als ein eher Unbeteiligter.

   Ich erinnere mich noch, was ich am 23.August desselben Jahres, dem Tag des Einmarsches der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei, gemacht habe. Da ich noch an der Uni immatrikuliert war (ich war zwischenzeitlich zur FU gewechselt), konnte ich mir über die Studentische Arbeits-Vermittlung, die Heinzelmännchen, einen Job vermitteln lassen. So jobbte ich in einem kleinen Betrieb, einer Hinterhof-Klitsche, in der Plastik-Teile geformt, Metallteile mit Kunststoff beschichtet wurden usw. Ich stand also acht Stunden – häufig auch länger – am Tag an einer Maschine, sägte Eisen- stangen, Rohre usw. auf Länge, bediente eine Anlage zum Formen von Kunststoff- Teilen. Auch Plexiglas wurde, wenn ich mich richtig erinnere, zu irgendwelchen Behält- nissen verarbeitet. Ein Auftrag kam von der Firma Ravensburger, für die ein Bücher- Ständer für eine Präsentation anzufertigen war. Doch es ist nicht in erster Linie das Datum des sowjetischen Einmarsches, der Beendigung des Prager Frühlings, das ich mit den Erinnerungen an diese Zeit verbinde. An erster Stelle in der Erinnerung steht vielmehr der Austausch von Briefen mit L., die ich in jenem Sommer in der Bretagne kennengelernt hatte und der mich, zusammen mit der gleichzeitig laufenden Analyse, in den Monaten bis zu ihrer Ankunft in B. vollständig beherrschte.