Während des erwähnten Krankenhausaufenthalts war ich von Dr.A., meinem späteren zweiten Analytiker, an eine Kollegin, Dr.R., vermittelt worden; bei ihr machte ich von 1968-72 meine erste Analyse. Das Problem, das ich in den zurückliegenden Jahren subjektiv als das dringendste empfunden und das auch die existenzielle Krise, in der ich mich angesichts meines Scheiterns im Studium befand, in den Hintergrund gedrängt hatte, war, dass ich mit 25 noch keine sexuelle Beziehung mit einer Frau hatte, also noch Jungfrau war. Die Dringlichkeit dieses Problems wurde von Dr.R. ebenso gesehen, und so bekam mein Leben und damit auch die Analyse Aufwind, als ich noch im Verlauf des ersten Jahres eine Beziehung mit einer Frau begann: mit L., die in ich den Sommerferien bei einer Urlaubsreise nach Frankreich in einer Jugendherberge in der Bretagne getroffen hatte und die gegen Ende des Jahres für mehrere Monate nach B. kam.

    Es war von vornherein klar, dass L. nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt nach B. kam und sie irgendwann endgültig in ihre Heimat, nach Frankreich, zurück- kehren würde, unser Zusammenleben in meiner Wohnung also nur eine Beziehung auf Zeit sein konnte. Rückblickend muss ich festsellen, dass ich in einem inneren Paradox lebte: einerseits entsprach es ganz meiner "Philosophie", nur zeitlich begrenzte Beziehungen einzugehen, eine Einstellung, in der man unschwer die verkappte Bindungsangst erkennen kann; auf der anderen Seite stellte jede Andeutung eines möglichen Endes eine Bedrohung dar. Nachdem wir noch einige Male mit Unterbrechungen sowohl bei mir in B. als auch bei ihr in Frankreich zusammen gewesen waren, kam nach etwa zwei Jahren das Ende.

    Nachdem das vordringlichste Problem, die Verwirklichung einer sexuellen Bezie- hung mit einer Frau – nach S.Freud der "Durchbruch zum Weibe" –, zumindest vordergründig beseitigt war, auf der anderen Seite ein Wunder, das meiner allgemeinen Lebenssituation eine positive Wendung gegeben hätte, ausblieb, traten in der Analyse Ermüdungserscheinungen auf: ich begann unterschwellig die von Dr.R. praktizierte Methode in Frage zu stellen, indem ich abweichende analytische Richtungen wie die Charakteranalyse W.Reichs, die ich mir damals mit Übereifer einverleibte, ins Spiel brachte.

  Es war die Zeit des Theoretisierens, der Bücherstände vor den Mensen von TU und FU mit Raubdrucken, vor allem von Werken der Zwanziger und Dreissiger Jahre, von W.Reich, E.Fromm u.a.; auf der Grundlage solcher Lektüre hatte sich in mir eine Vorstellung verfestigt, dass die Psychoanalyse in Deutschland infolge des Exodus' der jüdischen Psychoanalytiker nicht das gleiche Niveau hatte wie in anderen Ländern.
[Anm.: Dr.R. war aus dem von H.Schultz-Hencke mitgegründeten Institut für Neopsychoanalyse hervorgegangen.]